Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
Vom Netzwerk:
zynischen und lustlosen Eindruck machten. Doch dafür konnten die Stones in diesem Fall nicht das Geringste; Mick und Keith saßen ironischerweise ja sogar mit Richard Ashcroft im selben Boot, da der Großteil der Einnahmen aus ihren größten Hits in die Taschen von Allen Klein floss. Während Ashcroft damals gehässig behauptete: »›Bitter Sweet Symphony‹ war der beste Song, den Mick Jagger und Keith Richards in den letzten zwanzig Jahren geschrieben haben«, äußert er sich heute bedachter. »Ich bin der Band nie böse gewesen«, sagt er. »Sie haben mich ja entscheidend dazu motiviert, selbst Mitglied in einer Band zu werden.« Empörte Fans pfiffen ihn dennoch aus, als er den Song Mick und Keith widmete. Und als sich Nike die Nummer dann auch noch für ihre »I can!«-Kampagne schnappte, mussten es alle widerspruchslos hinnehmen. »Wir saßen im selben Boot«, so Ashcroft. »Im selben Boot wie auch George Harrison und John Lennon. Ich befand mich, was die Beziehung zu Allen Klein anbelangt, in ziemlich guter Gesellschaft.«

    © John D. McDonough/Sports Illustrated /Getty Images
    Sir Mick moves like Jagger – hier bei der Halbzeitshow des Super Bowl XL in Detroit am 5. Februar 2006.
    Micks vermeintlicher Mangel an Großherzigkeit war im Vergleich zu dem Mangel an Ritterlichkeit, der den zukünftigen Sir Mick in den Augen der Öffentlichkeit kennzeichnete, jedoch von eher geringer Bedeutung. Sowohl Paul McCartney als auch Elton John führten eine glückliche Beziehung: Paul mit seiner Linda und Elton mit David Furnish – Letztere hatten zwar eine homosexuelle Partnerschaft, dafür aber eine monogame. Der frisch geschiedene Mick Jagger, der damals gerade mit der über zwanzig Jahre jüngeren, außerordentlich aparten Schriftstellerin Sophie Dahl liiert war, kam in dieser Hinsicht nicht gerade auf Lancelot oder Parzival.
    Anders als seine betagteren Kollegen in der Musikbranche war Mick dem typischen Rock’n’Roller-Leben noch nicht entwachsen, er flirtete eifrig mit Models und jettete rund um die Welt von einer Party zur nächsten. Die Nachricht von seinem bevorstehenden Ritterschlag erreichte ihn während der Stones-Tour 2002. Im Gegensatz zu McCartney und Elton John war Mick immer noch der schlanke, sportliche, mit dem Arsch wackelnde Frontman. Abend für Abend stand er vor Tausenden von Menschen auf der Bühne – von Hong Kong über Mailand bis hin nach Washington – und sang von »tricks with fruit«, die »keep your pussy clean« (»Star Star«), und von »Puerto Rican girls who are just dying to meet you« (»Miss You«). Und dann war da noch seine ganz persönliche Vergangenheit. Als die Beatles 1965 zu Members of the British Empire (MBE) ernannt wurden [A. d. Ü: der unterste Rang des britischen Verdienstordens Order of the British Empire], inszenierte Andrew Loog Oldham die Stones als deren genaues Gegenteil: überzeugte Bad Boys, die gerne eine Palastrevolution angeführt hätten. Als John Lennon seinen MBE-Orden 1970 aus Protest gegen den Vietnamkrieg zurückgab (und »Cold Turkey« immer tiefer in den Charts versank), gratulierte ihm Mick über die Presse: »Endlich. Er hätte ihn schon zurückgeben sollen, als er ihm verliehen wurde.« Aber das Jahr 1970 lag lange zurück. Doch die unsichtbaren Grenzen zwischen dem Establishment und den gesellschaftlichen Außenseitern bestanden noch immer. Oder etwa nicht? Für Keith war das jedenfalls keine Frage, er nahm sie immer noch wahr.
    Es war eine zwiespältige Situation. Wie groß wäre die Empörung wohl gewesen, wenn Mick die Ritterwürde abgelehnt hätte? Nehmen wir einmal an, er hätte es getan und Englands bedingungslose Unterstützung von Bushs Irakkrieg als Begründung angegeben, dann hätte Blairs Image als glaubwürdiger Politiker der neuen Generation noch größeren Schaden genommen, als dies ohnehin schon der Fall war. Und mit Sicherheit hätten die Leute Jagger dann politischen Opportunismus vorgeworfen und ihm unterstellt, nur die Aufmerksamkeit auf sich lenken zu wollen. Es gibt übrigens tatsächlich Künstler, die einen Ritterschlag abgelehnt haben, darunter zum Beispiel der Schriftsteller Alan Bennett und der Schauspieler Albert Finney.
    Wie zu erwarten war, gingen jedoch, als Mick die Ritterwürde annahm, mehr böse Briefe aus den Reihen des Establishments ein, als dies wohl der Fall gewesen wäre, wenn er auf sie verzichtet hätte. Etliche Untertanen Ihrer Majestät überfluteten die Zeitungsredaktionen mit empörten

Weitere Kostenlose Bücher