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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
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unsentimental ausfallen. Wie um alles in der Welt konnten sie nur davon profitieren, ihn an sich ranzulassen? Und was konnten die Stones jemandem wie Capote bieten? Anders als der Stern der Stones, die nach der Veröffentlichung des Doppelalbums Exile on Main Street auf einem Höhepunkt ihrer Karriere angekommen waren, hatte der Stern des angesehenen Literaten seinen Zenith bereits überschritten. Die 70er hatten sich alles andere als positiv für ihn entwickelt: nicht eingehaltene Abgabetermine, Schaffenskrisen, Alkohol, Drogen und Depressionen. Er steckte in Schwierigkeiten. Eigentlich brauchte er etwas Handfestes, über das er schreiben konnte, keinen Firlefanz. Doch der nicht ganz so disziplinierte Capote konnte nicht widerstehen. »Ich gebe die Antwort in nur zwei Worten: Star fucking – es ist eine reizvolle Idee und es kommt in den besten Kreisen vor«, sagt Greenfield. »Mick wusste zweifellos, wer Truman war.« Jagger ging das Risiko von ihm bloßgestellt zu werden ein, weil er sogar dadurch auf ein Niveau mit Marlon Brando oder Marilyn Monroe gehoben wurde, und 1972 ging es vor allem darum, Geschichte zu schreiben. »Ich glaube, Mick war von ihm fasziniert und er war fasziniert von ihm«, sagt Chris O’Dell.
    Truman Capote war sowohl ein Freund von Ahmet Ertegün als auch von Andy Warhol, der das Cover von Sticky Fingers gestaltet hatte. Er war verwirrt, wenn schon nicht von den Stones, dann zumindest von der penetranten Aufmerksamkeit, die ihm der Chefredakteur des Rolling Stone zuteil werden ließ. »Wenner hörte nicht auf, mir irgendwelche Telegramme zu schicken«, erinnerte sich Capote in einem Interview, das Andy Warhol für den Rolling Stone führte. »Und dann dachte ich so was wie ›Wird schon werden‹ und verzettelte mich irgendwie in der ganzen Sache.«

    © Bob Gruen/ www.bobgruen.com
    Mick feiert seinen dreißigsten Geburtstag mit Keith und Bob Dylan, 1973.
    Wenner beauftragte den Fotografen Peter Beard – der mit Lee Radziwill, der Königin des Luftkusses (und Schwester von Jackie Kennedy Onassis), liiert war –, die Tour im Bild zu dokumentieren. Nach der Erstveröffentlichung im Rolling Stone sollten die Fotos in einem opulenten Bildband erscheinen.
    Capote hätte keine bessere Gelegenheit finden können, sich seinen Platz in den 70ern zu sichern. Der einzige lasterhafte Autor im Tourtross der Stones war er jedoch nicht. In New Orleans stieß er zur Band und protokollierte das Treiben am Veranstaltungsort, im Hotel und an Bord der eigens für die Band umgebauten DC-7, auf der von außen die herausgestreckte Zunge prangte, das neue Logo von Rolling Stones Records. Capote schwebte eine moderne Version von The Muses Are Heard vor, der Reportage im Buchformat, die er über das Moskauer Gastspiel der Everyman Opera Company geschrieben hatte.
    Allerdings musste man schon ein unverbesserlicher Optimist sein, um daran glauben zu können, dass Capote noch einmal ein solches Meisterwerk schaffen könnte – ganz abgesehen davon, dass er inzwischen älter und unzuverlässiger geworden war. Allerdings war er dafür bekannt, selbst aus einer vollkommen chaotischen Truppe die interessantesten Details herauszukitzeln. »Achtundfünfzig Schauspieler, sieben Angestellte im Backstagebereich, zwei Dirigenten, eine Handvoll Ehefrauen und Büropersonal, sechs Kinder mit ihren Lehrern, drei Journalisten, zwei Hunde und ein Psychiater«, das war dem Muses -Artikel zufolge der komplette Tross des Everyman-Ensembles gewesen. Von den Mitarbeitern des amerikanischen Außen- und des sowjetischen Kultusministeriums ganz zu schweigen. Eine Handvoll britischer Rockstars, ihre Freundinnen, ein Arzt, ein paar Roadies, einige Security-Leute, eine Filmcrew und einige andere literarische Koryphäen konnten ihn demnach kaum überfordern.
    Auch William S. Burroughs hatte über die Tour berichten sollen, doch diese Pläne hatten sich zerschlagen. Dennoch gab es genügend andere geeignete Kandidaten, die Truman Capote unterstützen konnten, falls ihn sein berühmtes fotografisches Gedächtnis einmal im Stich lassen sollte oder er es aus anderen Gründen für nötig befände, mit einem bekannten Kollegen aus den Reihen der Journalisten zusammenzuarbeiten. Auch Keiths ehemaliger Saufkumpan, der Schriftsteller und Drehbuchautor Terry Southern, gehörte zur Entourage der Stones; er berichtete für den Saturday Review . »Terry Southern wurde in dieser Woche ein Rolling Stone«, erinnert sich Rudge. »Die Stones ließen die Leute

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