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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
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Skandal aus, denn es zeigte einen wunderschönen, androgynen und stolzen jungen Truman Capote – Ähnlichkeiten mit dem jungen Mick Jagger gab es durchaus. Das Foto hatte Cecil Beaton geschossen, der Jahre später selbst ein Faible für Mick entwickelte. In den späten 60ern fotografierte er ihn und malte nach dieser fotografischen Vorlage ein Porträt des Rockstars.

    © Bob Gruen / www.bobgruen.com
    Die Glimmer Twins beim Abschlusskonzert der sogenannten S.T.P.-Tour am 26. Juli 1972 im Madison Square Garden in New York.
    Mit seinem schütter werdenden Haar und dem vom Alkohol aufgedunsenen Gesicht mit Doppelkinn starrte Capote Mick und seine mit blauem Lidschatten umrahmte Augen an, und manchmal sah er nur, wie sich sein jugendlicher Hochmut verflüchtigte. In gewisser Weise durchlebten beide gerade eine Phase, die sie nicht wirklich begriffen.
    Mick war ein Schauspieler, sagte er sich. »Einer der totalsten Schauspieler, die ich je gesehen habe«, erzählte er später Andy Warhol. »Er hat diese außergewöhnliche Fähigkeit, voll und ganz extrovertiert zu sein. Nur wenige Leute können vollkommen, absolut, ganz und gar extrovertiert sein. Es ist eine seltene, heikle, seltsame Angelegenheit. Dich einfach nur nach außen zu kehren und – bumm! Ihm gelingt das bis zu einem ganz außergewöhnlichen Maß; viel bemerkenswerter wird das Ganze allerdings noch dadurch, dass in dem Moment, in dem es passiert, schon alles vorbei ist.«
    Als der Tross am Vorabend von Micks neunundzwanzigstem Geburtstag im Juli 72 New York erreichte, war von Capotes Begeisterung für die Tour nichts mehr übriggeblieben. Die mittlerweile völlige Teilnahmslosigkeit ist ihm in Cocksucker Blues anzusehen, wenn er mit Radziwill den Backstage-Bereich betritt. Als sich die Idee, dass sich die beiden Legenden gegenseitig inspirieren könnten, als Flop entpuppte, kühlte auch Mick Capote gegenüber ab. Letzten Endes verfolgte Mick noch andere, weitaus konkretere Interessen. Tagtäglich zog er sich eine Menge Koks rein (in Cocksucker Blues sieht man, wie er eine Line zieht). Er war nervös, fürchtete sich vor Attentätern – wobei diese Ängste durchaus nicht unbegründet waren (die Hells Angels hatten mit Jagger, der ihnen die alleinige Schuld an Altamont in die Schuhe geschoben hatte, noch eine Rechnung offen). »Wir hatten einen Arzt mit auf Tour, der unser Leben retten sollte, falls irgendwer auf der Bühne niedergeschossen worden wäre. Wir hatten einen Spezialisten dabei, der mit einem großen Koffer reiste.«
    Nach etlichen Jahren auf Tour, litt Mick plötzlich unter Flugangst. »Ich erinnere mich, mit ihm geflogen zu sein, und als das Flugzeug startete, sagte er: ›Das ist die Beschleunigungsphase. Es ist der schlimmste Teil von allen.‹ Er hatte keine Phobie, war aber doch ziemlich nervös.« Er konnte nicht Capotes Hand halten und gleichzeitig sein Ego streicheln. Es war schon schlimm genug, jeden Abend nach Stevie Wonder auf die Bühne raus zu müssen.
    Die Stones Touring Party endete mit einem ausverkauften Konzert im New Yorker Madison Square Garden und einer feudalen After-Show-Party im St. Regis Hotel, bei der unter anderem Bob Dylan, Dick Cavett und Tennessee Williams dabei waren. Nach der Tour flogen die Stones nach Frankreich. Capote zog sich nach Sagaponack zurück, wo er seine Notizen durchging, um zu sehen, ob er irgendetwas vollenden konnte. Trinkend, aufs Meer starrend, wartete er auf eine Inspiration. Immerhin hatte er sich schon für einen Titel entschieden: »It Will Soon Be Here«. Genauso hieß auch ein Gemälde, das es Capote angetan hatte. Es zeigte eine Bauernfamilie, die sich auf einen herannahenden Sturm vorbereitet. Dem Capote-Biografen Gerald Clarke zufolge »enthält der Titel eine ironische Symbolik. Im 20. Jahrhundert waren die Dinge dermaßen auf den Kopf gestellt worden, dass die jungen Nachfahren jener gottesfürchtigen Farmer, statt sich vor dem Sturm, den die Stones mit sich brachten, und dem Chaos, das sie repräsentierten, in Sicherheit zu bringen, ihm direkt in die Arme liefen.« Er trat bei Johnny Carson auf, wo er die Stones verächtlich »Beatles« nannte. Der Witz, dass Mick »ungefähr so sexy ist wie eine pinkelnde Kröte«, verselbstständigte sich, doch allein in seinem stillen Kämmerlein brachte Capote nach wie vor nichts zu Papier. Irgendwann rief er Wenner an, und erklärte ihm, dass er den Artikel nicht schreiben werde. »Ich konnte mich nicht entscheiden. Ich hatte dieses ganze

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