Mick Jagger: Rebell und Rockstar
schreibt er in seiner Autobiografie, dass er immer noch darüber verwundert ist, dass es ihm nicht gelungen sei, sie zum Lachen zu bringen. Er gibt freimütig zu, dass er beeindruckt ist, von dem, was Bianca aus sich gemacht hat; für ihr großes Engagement und ihre Menschenrechtskampagnen genießt sie hohes Ansehen beim älteren Keith. Der junge Pirat hingegen fühlte sich deplatziert, in der Gesellschaft der Jetsetter fehlte ihm die Luft zum Atem.
© Keystone/Getty Images
Flitterwochen mit Bianca Jagger in Venedig, 1971.
1971 war die Kluft zwischen Mick und Keith, die sich drei Jahre zuvor, während der Dreharbeiten zu Performance , erstmals aufgetan hatte, noch größer geworden. Sie hatten nicht einmal mehr denselben Tagesrhythmus, und etliche Außenstehende, die sich zwischen sie drängten, hielten sie letztlich davon ab, sich in einer freundschaftlichen Atmosphäre wieder einander anzunähern. Keith hatte Anita, und er hatte Gram Parsons, den großen Wegbereiter des Country Rock. Und alle drei hatten das Heroin. Möglicherweise hat sich Mick damals mit dem Thema Heroin etwas ausgiebiger befasst, vielleicht wollte er dahinter kommen, was der ganze Hype darum sollte und warum es seinen Blutsbruder und Songwriter-Kollegen von ihm entfremdet hatte. Und auch gegen Gram Parsons war er machtlos. Der begnadete Musiker, der mittlerweile als Dauergast zum Tourtross der Stones gehörte (er reiste auf eigene Kosten mit und jammte und dopte ständig mit seinem neuen besten Freund »Keef«), brachte Mick, wie Keith Richards in seiner Autobiografie schreibt, vor Eifersucht zum Kochen.
»Ich weiß nichts davon, dass Mick auf Gram eifersüchtig gewesen sein soll«, sagt Chris O’Dell, die damals für die Band arbeitete (und in ihrer Autobiografie Miss O’Dell aus dem Jahr 2009 von ihrem Leben mit den Beatles und den Stones erzählt). »Wenn überhaupt, missbilligte Mick, dass sich sowohl Keith als auch Gram derart zudröhnten! Und wenn Gram mit von der Partie war, war es wohl immer besonders schlimm.«
Viel zu straight, um sich selbst auf Heroin einzulassen, schlug er genau die entgegengesetzte Richtung ein – hin zum Land der Cocktails und Kokslöffel, der Stadthäuser und Jets –, als wolle er es damit nicht nur Keith und Anita zeigen, sondern auch den Beatles, die sich gerade erst aufgelöst hatten. »Lennon und Jagger galten als wesentlich interessanter als all die hotelzimmerzerlegenden Nullachtfünfzehn-Rockstars«, so Anthony Haden-Guest, »aber Lennon war diese Art der ihm geschenkten Aufmerksamkeit zuwider, und so konzentrierte sich das gesamte Medieninteresse auf Jagger.«
Und Bianca war die ideale Begleiterin auf seiner Reise durch die neue Halbwelt. Vor Blitzlichtgewitter fürchtete sie sich jedenfalls nicht.
Zu dem Zeitpunkt, als Bianca auf der Bildfläche erschien, hörten die Stones auf, eine richtige britische Band zu sein. Ab dem Frühjahr 1971 durften Mick und seine Bandkollegen sich nicht länger als neunzig Tage pro Jahr in England aufhalten, sofern sie nicht neunzig Prozent all ihrer Einkünfte dem Fiskus überlassen wollten. Löwenstein riet ihnen daher, sich vorerst in Frankreich niederzulassen und dort mit der Arbeit an dem Nachfolger von Sticky Fingers zu beginnen.
Das Interesse – und zweifellos auch die Feindseligkeit –, mit dem man Bianca begegnete, als die Stones daraufhin ihre Koffer packten, mag durchaus rassistisch oder wenigstens teilweise nationalistisch motiviert gewesen sein. Marsha Hunt wäre es vermutlich nicht anders ergangen. Yoko Ono erging es definitiv so, als sie sich in John Lennon verliebte und ihn den Armen seiner weißen, englischen Frau »entriss«. »Die Presse machte etwas aus mir, das ich nicht war. Sie wollten einfach nicht akzeptieren, dass Mick eine Ausländerin geheiratet hatte. Also war ich von dem Augenblick an ein Flittchen«, erklärte Bianca Jagger Mitte der 70er in der Zeitschrift People . Sie war eine Weltbürgerin, die in Frankreich, London oder New York zu Hause war, nachdem sie Managua als Teenager den Rücken gekehrt hatte, um zu studieren und auf Entdeckungsreise zu gehen. Sie hatte immer eine einflussreiche Frau werden wollen, hatte sich vorgestellt, irgendwann einmal Diplomatin oder Regisseurin zu werden. Stattdessen heiratete sie einen Rolling Stone. Der Einfluss, den sie dadurch erlangte, war nicht geringer, das Mittel war nur ein wenig ungewöhnlich.
Im Oktober 1971 brachte Bianca Micks zweite Tochter Jade zur Welt. Wie schon nach der
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