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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
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tatsächlich an ihrem Lebensstil teilhaben. Und dann verloren sich nicht wenige darin.« Die Sixties hatten es noch besser gemeint mit Capote, Anfang der 70er ging es mit seiner Gesundheit und seiner Schaffenskraft zusehends bergab. Er unterhielt sich nur noch im Jugendjargon, wobei er fast schon wie eine Karikatur des scharfzüngigen Beobachters der gesellschaftlichen Zustände wirkte, der er im vorangegangenen Jahrzehnt gewesen war. Und alles wurde im Bild festgehalten. Auch Robert Frank, der Schweizer Fotograf und Filmemacher, der das Cover für Exile on Main Street gestaltet hatte, begleitete die Stones und filmte alles, was ihm vor die Linse kam – darunter auch den berühmten »Flugzeug-Fick« – für eine geplante Dokumentation, die zwar nie offiziell veröffentlicht wurde, als Raubkopie unter dem Titel Cocksucker Blues allerdings weithin bekannt ist. Wie Marshall Chess und Truman Capote genoss auch Robert Frank einen hervorragenden Ruf als Chronist des zeitgenössischen Amerikas. Besonders bekannt waren sein Beat-Film Pull My Daisy und sein richtungweisender Bildband The Americans , der Jack Kerouac zufolge »dieses verrückte Gefühl in Amerika, wenn die Sonne die Straßen aufheizt und Musik aus den Jukeboxes dröhnt« einfing. Frank ging offenbar alles mit dem Arbeitsethos eines Einwanderers an.
    Mick Jagger, der gebildeter war, als vielen damals bewusst war, fühlte sich geehrt und geschmeichelt, dass Künstler und andere namhafte Persönlichkeiten die Stones begleiteten, während sie ihrer Arbeit nachgingen. »Ahmet Ertegün wusste, welchen Einfluss Prominente haben«, so Rudge, »welchen Einfluss die Medien haben, und er wusste auch, wie sehr Mick auf all das stand.« Es schien alles zu schön, um wahr zu sein – und das war es auch.
    Capote kam in New Orleans hinzu und veranstaltete Mick zu Ehren sofort ein opulentes Abendessen; dabei schlüpfte er in die Rolle des dort beheimateten Gastgebers, obwohl er schon seit Jahren nicht mehr in New Orleans lebte. Nachdem der von Alkohol und Vorfreude geschürte Rausch verflogen war, dämmerte dem Schriftsteller, dass er einen Fehler begangen hatte. Capote, der oft genug miterlebt hatte, wie der Ruhm Menschen zunehmend veränderte, war schrecklich angeödet von den Leuten, die zur Stones-Entourage gehörten und vor den Kameras posierten und sich ablichten ließen, als seien sie selbst ebenso so interessant wie die Band. »Ich war sechsundzwanzig und mir war völlig klar, dass ich niemals in dem Film zu sehen sein wollte – und ich meine ›Film‹, nicht ›Dokumentation‹«, sagt Robert Greenfield. An jeder Station ihrer Reise wurde geschauspielert, Rockstars und ihr Gefolge posierten vor den Kameras und schufen einen Mythos für eine neue Welt. »Dieses berühmte Bild von Keith vor einem Schild, auf dem ›Keep America Drug Free‹ steht, war keineswegs ein spontaner Schnappschuss«, so Rudge.
    Man konnte jedem seiner missmutigen Blicke ansehen, dass Truman Capote diesen Film schon mal gesehen hatte. Er ist lange vor ihnen schon dekadent gewesen, und er war besser dabei, angefangen bei der Hartnäckigkeit, mit der er in Kansas ausharrte, um die Morde an der Familie Clutter zu recherchieren (unsterblich geworden durch seinen Roman Kaltblütig ), bis hin zu seinem legendären Black and White Ball im New Yorker Plaza Hotel zu Beginn des Vietnamkonflikts. Und hier waren sie nun – der Krieg wütete immer noch, Nixon saß immer noch im Weißen Haus – und jetteten durchs Land mit ihrem eigenen Arzt im Gepäck, ganze Hoteletagen wurden ihretwegen abgeriegelt, zwei ehemalige Polizisten, die als Sicherheitsleute angeheuert worden waren, durchsuchten jeden, der in ihre Nähe kam, es gab endlos Nachschub an pharmazeutischem Kokain und keinen Ort, an dem nicht schon eine Kamera wartete. Capote fand das alles deprimierend, und ohne mit irgendjemanden darüber zu sprechen, beschloss er, die Reportage nicht zu schreiben. Er wirkte abwesend wie ein Schlafwandler, doch blieb er bei der Band, er übernachtete zwar in denselben Hotels, zog sich jedoch früh auf sein Zimmer zurück und achtete darauf, dass er jedem, der ihm begegnete, deutlich machte, wie sehr er dieses Treiben missbilligte. »Wir kamen einfach nicht miteinander klar«, erinnert sich Marshall Chess. »Kennst du diese Leute, die einem unablässig auf die Nerven gehen? Er war so hochnäsig, unbeschreiblich hochnäsig. Von Anfang an, seit er dabei war, hatte er diese schrecklich hochnäsige, zickige Art

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