Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
Tages per Post eine Benachrichtigung erhielten, dass ihr Haus zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben war. Das meine ich mit den Dingen, die ich nicht richtig finde, und deshalb versuche ich, etwas dagegen zu tun. Aber es ist wie bei David gegen Goliath, Hay. Die riesigen Finanzinstitute bügeln diese Leute einfach nieder, und es gibt nicht allzu viele Leute wie mich, die sich für sie einsetzen.«
Erst während ich meiner Tochter diese Zusammenhänge erklärte, wurde mir vollends klar, was mich an diesem juristischen Spezialgebiet reizte. Natürlich versuchten einige meiner Mandanten nur, das System auszunutzen. Sie waren Schmarotzer, die keinen Deut besser waren als die Banken, mit denen sie sich anlegten. Aber einige meiner Mandanten gehörten wirklich zu den Benachteiligten und Unterdrückten. Sie waren die wahren Underdogs der Gesellschaft, und ich wollte für sie eintreten und ihnen helfen, damit sie so lang wie möglich in ihren Häusern bleiben konnten.
Hayley hatte ihren Stift gezückt, und ich konnte es kaum erwarten, mich wieder an die Arbeit zu machen, nachdem ich ihr den Sachverhalt erklärt hatte. Sie war in dieser Hinsicht sehr rücksichtsvoll, das musste sie von ihrer Mutter haben.
»Das ist es also, worum es hier geht. Du kannst jetzt deine Hausaufgaben zu Ende machen. Möchtest du noch was zu trinken oder einen Nachtisch?«
»Dad, Pfannkuchen sind praktisch ein Nachtisch.«
Sie trug eine fest installierte Zahnspange und hatte sich für eine limettengrüne Ausführung entschieden. Wenn sie redete, wurde meine Aufmerksamkeit ständig auf ihre Zähne gelenkt.
»Ach ja, stimmt. Dann vielleicht noch was zu trinken? Mehr Milch?«
»Nein danke.«
»Okay.«
Ich machte mich ebenfalls wieder an die Arbeit und sortierte die drei Zwangsversteigerungsakten. Dank der Radiowerbung hatte ich so viel Arbeit, dass wir die Gerichtstermine zu bündeln begonnen hatten. Das heißt, wir versuchten, die Gerichtstermine, die ich bei einem bestimmten Richter hatte, zusammenzulegen. An diesem Morgen hatte ich im Bezirksgericht in Downtown drei Verhandlungen vor Richter Alfred Byrne gehabt und jedes Mal auf Unrechtmäßigkeit der Zwangsversteigerung und Betrug seitens des Kreditgebers oder des vom Kreditgeber beauftragten Hypothekenmaklers plädiert.
Es war mir in allen drei Fällen gelungen, die Zwangsversteigerungen mit meinen Schriftsätzen aufzuschieben. Meine Mandanten konnten in ihren Häusern bleiben und mussten keine monatlichen Zahlungen leisten. Die Gegenseite betrachtete das als einen Betrug, der in seinem Ausmaß der Zwangsversteigerungsepidemie in nichts nachstand. Die Anwälte der Gegenseite verachteten mich dafür, dass ich den Schwindel perpetuierte und den unausweichlichen Ausgang der Sache nur hinauszögerte.
Das machte mir nichts. Als Strafverteidiger ist man es gewöhnt, verachtet zu werden.
»Komme ich zu spät für die Pfannkuchen?«
Meine Ex-Frau rutschte neben unserer Tochter auf die Sitzbank. Sie drückte Hayley einen Kuss auf die Wange, bevor diese sich ihr entziehen konnte. Sie war gerade in diesem Alter. Ich wünschte mir, Maggie hätte sich neben mich gesetzt und mir einen gegeben. Aber ich konnte warten.
Ich lächelte sie an und nahm die Akten vom Tisch, um Platz zu schaffen.
»Für Pfannkuchen ist es nie zu spät«, sagte ich.
8
A m folgenden Dienstag wurde offiziell Anklage gegen Lisa Trammel erhoben. Es war eine Routineverhandlung, die dazu diente, ihre Eingabe zu Protokoll zu nehmen und die Uhr in Gang zu setzen, um den Erfordernissen eines beschleunigten Verfahrens seitens der Staatsanwaltschaft gerecht zu werden. Da meine Mandantin jedoch gegen Kaution auf freiem Fuß war, würden wir wahrscheinlich auf das Recht auf ein beschleunigtes Verfahren verzichten. Solange sie in Freiheit war, bestand kein Grund zur Eile. Das Verfahren würde wie ein Gewitter langsam Schwung aufnehmen und erst richtig beginnen, wenn die Verteidigung gründlich vorbereitet war.
Die Verhandlung diente auch dem Zweck, Lisas nachdrückliches und forsches »Nicht schuldig« sowohl für das Gerichtsprotokoll als auch für die Kameras der zahlreich vertretenen Medien festzuhalten. Obwohl der Andrang nicht so groß war wie bei ihrem ersten Auftritt (die nationalen Medien neigten dazu, sich aus den schnöden Alltagsabläufen herauszuhalten, wenn ein Fall durch das Rechtsprechungssystem geschleust wurde), waren die lokalen Medien nach wie vor zahlreich vertreten, und die fünfzehnminütige Verhandlung wurde
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