MicrDolly - 07 - Dolly hat Heimweh nach der Burg
gelang das auch, aber ihrem Vater fiel es schwer, sich an die veränderten Verhältnisse zu gewöhnen, er konnte hier nicht Fuß fassen und ging eines Tages wieder zurück in sein Heimatland. Weder die Bitten seiner Frau und seiner Kinder noch der Einfluß seines Bruders und seiner Schwägerin konnten ihn davon abhalten.“
„Und wo ist Marjas Bruder?“
„Er ist noch klein und blieb bei der Mutter. Es ist schwer für sie, denn sie muß den Unterhalt für die ganze Familie verdienen. Marjas Aufenthalt hier auf Burg Möwenfels allerdings zahlt ihr Onkel.“
„Was hat Marjas Vater für einen Beruf?“
„Er ist Lehrer. Unter anderem war er auch Sportlehrer und Trainer einer Schwimm-Mannschaft. Als solchen hätte man ihn hier einsetzen können, aber als Lehrer – dazu reichten seine Sprachkenntnisse einfach nicht aus.“
„Ich verstehe. Marja muß sehr an ihrem Vater hängen“, sagte Felicitas nachdenklich. „Sie kann ihm einfach nicht verzeihen, daß er sie im Stich gelassen hat.“
„Ich glaube, das hast du ganz richtig erkannt. Was willst du jetzt tun?“
„Ich weiß noch nicht. Aber vielleicht kann ich Marja dazu bringen, mir zu helfen. Ich komme im Schwimmtraining nicht so recht weiter, und Sie wissen, ich bin für die Schulmeisterschaften aufgestellt worden. Vielleicht kann ich sie doch aus ihrem Schildkrötenpanzer herauslocken.“
„Was immer du tust, ich habe volles Vertrauen zu dir, daß du mit dem nötigen Feingefühl vorgehst. Das hast du ja jetzt schon bewiesen.“ Frau Greiling gab Felicitas die Hand und lächelte ihr aufmunternd zu.
Hoffentlich enttäusche ich sie nicht! dachte Felicitas.
Der Besuchstag der Eltern kam, und schon am frühen Morgen war der Innenhof der Burg von fröhlichem Lärm erfüllt. Die Eltern wurden von den Mädchen stürmisch begrüßt und überall herumgeführt. Später gab es Wettkämpfe im Handball, Tennis und Schwimmen und ein gemeinsames festliches Essen mit den Eltern. Danach fuhren die meisten zusammen fort, um den Nachmittag bei einem Ausflug in die Umgebung oder einer Stippvisite in die kleine Kreisstadt miteinander zu verbringen.
Rieders wollten zunächst Dolly im Möwennest besuchen und später gemeinsam mit beiden Töchtern einen Ausflug in die Umgebung machen.
„Wird es dir nicht zu kühl in der dünnen Jacke, Liebling?“ fragte Frau Rieder beim Einsteigen. „Hol dir doch lieber deinen Mantel!“
„Na schön, ich beeil mich. In einer Minute bin ich zurück!“
Felicitas rannte hinauf in den Schlafsaal. Er war leer, die Mädchen waren alle bereits unterwegs, Felicitas schien die letzte im Hause zu sein. Schnell ging sie zu ihrem Schrank und tauschte die dünne Jacke gegen ihren wetterfesten Mantel.
Ein eigenartiges Geräusch ließ sie herumfahren. Was war das? Es mußte aus dem Nachbarbett kommen. Felicitas zog die Vorhänge zurück und schaute auf Marjas Bett. Dort, ganz unter die Decke gekrochen, lag Marja zusammengekrümmt und schluchzte.
„Um Gottes willen, Marja! Was ist denn? Kann ich irgendwas für dich tun?“
„Ja, laß mich in Ruhe!“ sagte Marja rauh.
Felicitas versuchte, ihr über den Kopf zu streichen. Marja drehte sich weg und machte sich steif wie ein Brett. Eine Weile versuchte Felicitas noch, auf sie einzusprechen, aber sie fühlte, daß Marja nur den einzigen Wunsch hatte: allein zu sein. So zog Felicitas die Vorhänge wieder zu und ging leise hinaus.
„Eine Minute ist ziemlich lang bei dir, mein Schatz“, sagte Herr Rieder tadelnd. „Dolly wird schon ungeduldig werden.“
„Verzeiht“, sagte Felicitas, „ich habe mich noch um eine unserer Neuen gekümmert. Sie hat keinen Besuch bekommen, und ich wollte sie eigentlich mitnehmen, aber sie ließ sich nicht überreden.“
In wenigen Minuten waren sie am „Möwennest“ angelangt. Dolly stand vor der Tür des Mühlenhauses und wartete bereits voller Ungeduld, denn sie hatte ein Kunstwerk von einer Sahnetorte hergestellt und befürchtete, das Traumgebilde könne zerfließen, ehe es die Eltern gebührend bewundert hätten.
Gemeinsam mit Susanne tranken sie in dem gemütlichen Stübchen der zwei Kaffee, und Felicitas stürzte sich auf die Torte, als hätte sie den ganzen Tag noch nichts zu essen bekommen.
Später brachen sie zu einem Spaziergang durch Wiesen und Felder auf, wanderten auf den Klippen entlang und genossen den Blick aufs Meer, und am Abend lud Herr Rieder die kleine Gesellschaft in ein in der Nähe gelegenes Strand-Restaurant zum Essen ein.
So herrlich der Tag auch war –
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