Microsklaven
Behandlung. Lindsay ist angenehm Gerber-mäßig pummelig, und Dusty, die ehemals leidenschaftliche Bodybuilderin, frißt meiner Familie die Haare vom Kopf. Misty, die seit Beginn ihrer Diät letztes Jahr nicht ein Gramm abgenommen hat, folgt der »Madonna mit Kind« überallhin. »Dusty kann bettelnden Hunden einfach nicht widerstehen«, sagt Mom. »Ich sage ihr immer wieder, daß sie den Hund nicht füttern soll, aber es nützt nichts.« Mom klingt richtig genervt, aber sie muß einfach lernen, daß ihr Hund nie schlank sein wird. Also, alles in allem klingt es, als sei dort alles in Ordnung.
Mom fragte, halb im Scherz, aber ein bißchen auch im Ernst, ob Dad sich als unser Firmenvertreter bewähre, doch ich antwortete, das könnten wir erst morgen beurteilen.
W ir zehn nahmen zwei Taxis (20 Minuten Wartezeit) den Strip hinauf (verstopft) zu einer Sony-Party, zu der Todd uns so etwas wie eine Einladung erschlichen hatte, und setzten Dad auf dem Weg beim MGM Grand ab. Die drei Chyx in den beiden Wagen brüllten mit einstudierten Tra-la-la-Stimmen: »Auf Wiedersehen, Blake Carrington, du ungeheuer gut gebautes Bild von einem Mann.« Dad kriegte knallrote Ohren. Ich glaube, die Porno-Awards hatten keinen guten Einfluß auf die Chyx.
Auf der Sony-Party klinkten wir total aus, denn plötzlich kamen uns alle Leute auf der Party vor wie Pornostars - dabei waren es ganz normale Leute. Das lag bloß daran, daß uns immer noch all die Stiffie-Award-Gewinner und die dazugehörigen Filmausschnitte im Kopf herumspukten. Und dann wurde uns klar, daß einem aus einem bestimmten Blickwinkel alle Leute vorkommen können wie Pornostars. Für ein paar Minuten war uns die Menschheit richtig unheimlich. Ich möchte mal wissen, wie bei Porno-Leuten die Beziehung zwischen Kopf und Körper aussieht - vorstellen kann ich's mir nicht. Ihr Körper muß für sie wie eine Maschine sein oder wie ein zur Auslieferung bestimmtes Produkt, aber andererseits sind sie da nicht die einzigen - da wären noch Olympia-Athleten und Geeks und Bodybuilder und Menschen mit Eßstörungen.
Zurück zur Sony-Party ... Wir sahen uns das Realfilm-Material für die neuen Sony-Spiele an. Wie da geschauspielert wird - das ist dermaßen daneben. Wie in Pornos. Für uns nur ein weiteres Indiz dafür, daß das richtige Leben ein einziger Pornofilm ist. Ich unterhielt mich mit einer Sony-Managerin namens Lisa und fragte sie, woher sie die Darsteller für die Spiele nähmen, allerdings ohne ihr ins Gesicht zu sagen, daß die schauspielerischen Leistungen in ihren Filmen beschissen sind. Sie sagte, der Branche sei überhaupt noch nicht klar, wie unglaublich teuer es ist, ein Spiel mit richtigen Schauspielern zu filmen. »Man braucht nur ›Live-Action‹ zu sagen, und schon kostet es eine Million Dollar mehr«, meinte sie. Dann überlegte ich laut, ob eine Rolle in einer Multimedia-Produktion bald das moderne Äquivalent zu einem Auftritt als Gaststar bei Hollywood Squares sein würde. Michael und Amy fingen an, turteltaubenmäßig die Fragen aus einer alten Version des Hollywood Squares -Brettspiels aufzusagen, das sie beide als Kinder hatten:
»F: Richtig oder falsch: Frank Sinatra trägt
niemals Schmuck.«
»A: Falsch.«
»F: Richtig oder falsch: Der Mensch kann im Durchschnitt 45 Sekunden lang die Luft anhalten.«
»A: Richtig.«
»F: Was empfiehlt die Zeitschrift Cats:
Soll man seiner Katze vor einer Flugreise ein Beruhigungsmittel verabreichen?«
»A: Nein.«
Die Sony-Leute waren ganz schön genervt von Michael und Amy, schließlich versuchte heute abend jeder, aalglatt und Hollywood-mäßig zu wirken und keinesfalls geekig, doch Michael und Amy zerstörten diese Illusion. Und dann fingen sie an zu knutschen, und da waren endgültig alle verwirrt. Knutschende Geeks?
M an sah sofort, wer aus L.A. kam - allein, wie die sich gaben; sie sahen alle aus wie - Minifigs, denke ich. Moment ... Ist das eine Tautologie? Aber im Ernst, Los Angelenos sind irgendwie eine ganz andere Spezies als die Leute aus der Bay Area. Kalifornien teilt sich wirklich in Norden und Süden. Das sind tatsächlich zwei verschiedene Staaten. Michael sagte: »Los Angelenos ziehen sich an, als wären sie zu einer eigenen Zielgruppe erklärt worden.« Wir fanden, daß Spielshow-Kandidaten in Zukunft ihre Zuordnung zu einer Zielgruppe gewinnen sollten, wozu sie sechs Stunden mit zehn repräsentativ ausgewählten Zielgruppenforschern verbringen müßten, die jeden Aspekt ihres Lebens
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