Microsklaven
Essen und Bier gebracht -und bin dann wieder gegangen. Die Schweine.« Zu meinem Entsetzen sagten Karla und Susan: »Amen.« Alle trugen diese kleinen Getränke-Schirmchen im Haar. Michael bemerkte, daß sie im Tonga-Room Eis nehmen, das weder würfelförmig noch gemahlen ist: »Das sollte man sofort 7-Eleven stecken. Das ist die Marktlücke!« Dusty erteilte Susan Nachhilfe in Sachen Männer: »Tech-Frauen haben die besseren Karten, und das wissen sie auch. Es gibt ungefähr dreimal so viele Tech-Männer wie Tech-Frauen, deshalb können die Frauen sich die Männer aussuchen und wieder ablegen, wie es ihnen paßt. Schließlich können sich die Typen ja auch noch was darauf einbilden, mit einem Tech-Mädel auszugehen.«
Insgeheim stimmte ich ihnen zu. »Tech-Mädel« wirken viel weiser und reifer als die Typen (deshalb steh' ich ja so auf Karla), daß ich immer denke, sie haben bestimmt irgendwann die Nase voll. Ich kriegte mit, wie Susan und Karla sich über die Tech-Typen auf einer Geek-Party letzten Monat beklagten, und ich wurde ein wenig unsicher. Oben bei Microsoft sahen Geeks nach dem aus, was sie waren - Nerds, Außenseiter, Dungeons & Dragons-Spieler auf Freigang. Hier unten im Valley sind diese Tech-Typen ganz attraktiv - sie gehen in der »normalen« Welt durch, ohne daß ihre Mathe-Leistungskurs-Vergangenheit auffliegt. Immer wenn Susan und Karla anfangen, von irgendeinem süßen Typen zu schwärmen, sage ich: »Der arbeitet bestimmt im MARKETING.« Dann geht's mir besser.
Susan wollte wissen, warum sie trotzdem so ein Problem mit Männern hat. Dusty sagte: »Ich glaube, dein Problem ist, daß du alle für bekloppt hältst außer dir selbst, dabei ist jeder bekloppt - auch du -, und wenn du das erst mal begriffen hast, gehört die Männerwelt dir.«
Ich dachte, Susan würde an die Decke gehen, doch statt dessen stimmte sie zu.
DONNERSTAG
D ad war heute unterwegs - auf Jobsuche. An keinem anderen Ort der Welt hätte er eine Chance, aber hier im Valley könnte er etwas finden.
B ug ist ganz hysterisch, weil die Magic-Eye-Stereogramme, die Schwarzlichtposter der 90er, bei ihm nicht funktionieren. Er befürchtet, daß es was mit Farbenblindheit zu tun haben könnte, und hat deshalb das Garage Museum unten in San Jose angerufen, um herauszufinden, ob es etwas Schlimmes bedeutet. Ihm sind diese Genkarten wieder eingefallen, die sie dort hatten. »Ich bin stereogrammatisch blind!«
E than und ich sind mal wieder einen trinken gegangen. Er kippte sich einen Drink nach dem anderen hinter die Binde, und ich fragte ihn, ob es klug wäre, zu trinken, wenn man Antidepressiva nimmt. Er sagte: »Im Prinzip nicht. Es ist sogar ziemlich bescheuert, das zu tun. Aber wenn ich trinke, verschaffe ich mir einen Identitätsurlaub.« Ich fragte ihn, was er damit meine. Er sagte, seit die neuen Antidepressiva sein Gehirn neu verkabeln und er dadurch langsam ein neuer Mensch wird, vergesse er von Tag zu Tag mehr, wie er früher einmal gewesen sei. »Wenn man dieses Zeug nimmt, wird man nicht richtig betrunken«, sagte er, »aber mit Hilfe des Alkohols kann ich mich daran erinnern, wer ich früher war und was ich fühlte. Einen Moment lang jedenfalls. Ganz so schlecht war das Leben damals nicht. Ich möchte es nie wieder 24 Stunden am Tag leben müssen, aber manchmal kommen mir doch wehmütige Erinnerungen an mein altes Ich. Vielleicht gibt es in einem Paralleluniversum einen traurigen, abgefuckten Ethan, der nichts zustande kriegt, total verkrampft ist und auf der Stelle tritt. Ich weiß nicht. Wenn man erst mal die Turbo-Version seiner selbst erlebt hat, gibt es kein Zurück mehr.«
Er trank noch einen Wallbanger - »Weißt du, mein Lieber vielleicht sollte ich diese Kabel lieber wieder aus meinem Kopf entfernen. Dann wäre ich wieder mit der Welt der normalen Zeit verbunden - den Sonnenuntergängen und Regenbogen, der Brandung und den Schlümpfen.« Er nahm noch einen letzten Schluck. »Nee, nee ...«
S usan hat sich erkältet. »Das kommt, weil ich im Tonga Room die ganze Zeit den Schlüpfer voller Fruchtfleisch hatte.«
M orgen ziehen wir in das Haus, das wir einhüten.
V or dem Schlafengehen erzählte ich Karla von Ethans Identitätsurlaub - daß man trinken kann, um sich daran zu erinnern, wie sein wahres Ich sich früher angefühlt hat. »Alles dreht sich um Identität«, antwortete sie. Sie sagte: »Wenn wir einen Vogelschwarm sehen, denken wir, jeder Vogel ist genau wie jeder andere Vogel - ein Vogel-Unit. Doch
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