Microsoft Word - Christian Jacq - RAMSES3 - Die Schlacht von Kadesch.rtf
Wettergott untergeordnet. Die Priester wuschen die Standbilder, um den Zorn des Himmels abzuwenden. Kein Hethiter durfte mehr Zweifel oder Einwände erheben: die Zeit, zur Tat zu schreiten, war gekommen.
Die Priesterin Puducheba sprach die Formeln, die die Göttinnen der Fruchtbarkeit in gefährliche Kriegerinnen verwandelten. Dann schlug sie sieben Nägel aus Eisen, sieben aus Bronze und sieben aus Kupfer in ein Schwein, damit den Wünschen des Herrschers eine rosige Zukunft beschieden sein möge.
Während die Anrufungsformeln gesprochen wurden, heftete Muwatalli seinen Blick auf seinen Sohn Uriteschup, der zum Kampf gerüstet dastand und seine wahnsinnige Freude, bald den Gegner niedermachen zu dürfen, kaum verhehlen konnte. Hattuschili blieb ruhig, und von seinem Gesicht war nichts abzulesen.
Beide hatten nach und nach all jene verdrängt, die um die Gunst des Herrschers buhlten, und so bildeten sie mit Puducheba den engsten Kreis um Muwatalli. Aber Uriteschup haßte Hattuschili und Puducheba, die es ihm auch gebührlich heimzahlten.
Die Kriegsvorbereitungen gegen Ägypten ermöglichten es Muwatalli, die inneren Spannungen zu überwinden und seine Herrschaft zu festigen, bevor er angriff. War ihm der Himmel nicht hold?
Als die Zeremonie beendet war, lud der Herrscher Generäle und höhere Offiziere zu einem Festmahl, das mit vier Opfergaben von Speisen eröffnet wurde: Die erste brachte der Obermundschenk auf dem königlichen Thron dar, die zweite neben der Feuerstelle, die dritte auf dem Ehrentisch und die vierte auf der Schwelle zum Speisesaal.
Anschließend durften die Gäste sich den Magen vollschlagen und sich betrinken, als wäre dieses ihre letzte Mahlzeit.
Als Muwatalli sich erhob, verstummten die munteren Gespräche. Selbst die Betrunkensten wahrten noch einen Anschein von Würde.
Nur ein Ereignis, ein einziges, konnte den Kampf noch verzögern.
Der Herrscher und sein Gefolge verließen die Stadt durch das Sphingentor, das im oberen Teil lag, und schritten auf eine Felskuppe zu, deren Gipfel Muwatalli, Uriteschup und Puducheba zu erklimmen hatten.
Unbeweglich verharrten sie dort oben, den Blick auf die Wolken gerichtet.
«Da sind sie!» rief Uriteschup.
Der Sohn des Herrschers spannte seinen Bogen und zielte auf einen der Geier, die die Stadt überflogen. Zielgenau durchbohrte der Pfeil den Hals des Raubvogels.
Ein Offizier brachte dem Heerführer das tote Tier, dieser schlitzte ihm mit einem Messer den Bauch auf und riß mit beiden Händen die dampfenden Eingeweide heraus.
«Deute sie», gebot Muwatalli Puducheba, «und sag uns, ob das Schicksal es gut mit uns meint.»
Die Priesterin waltete ihres Amtes und untersuchte und deutete die Eingeweide des Geiers.
«Das Schicksal ist uns hold.»
Uriteschups Kriegsgeheul ließ die Berge ringsum erbeben.
NEUNUNDVIERZIG
DIE GROSSE RATSVERSAMMLUNG, zu der zahlreiche Persönlichkeiten des Hofes hinzugebeten worden waren, nahm einen lebhaften Anfang. Die Oberschreiber, die die höchsten Staatsämter bekleideten, blickten unwirsch drein, die hohen Beamten beklagten das Fehlen eindeutiger Richtlinien, die Sterndeuter verhießen eine militärische Niederlage, Ameni und seine Leute konnten Ramses kaum mehr hinreichend schützen, denn jedermann forderte Erklärungen.
Als der Pharao auf dem Thron Platz nahm, war der Audienzsaal so voll wie nie. Der Rangälteste der Würdenträger hatte die eingesammelten Fragen vorzutragen, damit kein Tumult entstand und die eherne Würde des Pharaoamtes gewahrt blieb. Nur Barbaren leisteten sich Wortgefechte, schrien durcheinander und fielen einander ins Wort.
Am ägyptischen Hof sprach man der Reihe nach, und jeder hörte dem anderen zu.
«Majestät», hob der Älteste an, «das Land ist besorgt und möchte wissen, ob ein Krieg mit den Hethitern bevorsteht.»
«So ist es», antwortete Ramses.
Langes Schweigen folgte auf diese knappe und erschreckende Erklärung.
«Ist er unvermeidbar?»
«Unvermeidbar.»
«Ist unser Heer kampfbereit?»
«Die Waffenschmiede haben mit unermüdlichem Eifer gearbeitet und lassen nicht nach in ihren Anstrengungen. Ein paar zusätzliche Monate wären willkommen gewesen, aber die werden uns nicht vergönnt sein.»
«Aus welchem Grund, Majestät?»
«Weil unsere Armee so schnell wie möglich gen Norden ausrücken muß. Die Schlacht wird fern von Ägypten stattfinden. Da unsere Schutzgebiete Kanaan und Amurru befriedet wurden, werden wir dort gefahrlos durchziehen
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