Microsoft Word - Christian Jacq - RAMSES3 - Die Schlacht von Kadesch.rtf
die Große königliche Gemahlin kalt. Sie kümmerte sich um die beschleunigte Herstellung von Soldatenbekleidung und anhand der ausführlichen Berichte Amenis um tausenderlei Kleinigkeiten, die das wirtschaftliche Wohlergehen des Landes betrafen.
Chenar begrüßte den König.
«Du bist dicker geworden», befand Ramses.
«Aber nicht aus Mangel an Arbeit», erwiderte der Oberste Gesandte. «Angst bekommt mir nicht. Dieser Kriegslärm, auf Schritt und Tritt nur Soldaten… Ist das jetzt Ägypten?»
«Die Hethiter werden uns bald angreifen, Chenar.»
«Du hast vermutlich recht, aber mein Amt verfügt noch über keine einzige verläßliche Nachricht, die diese Befürchtung untermauert. Bekommst du nicht nach wie vor liebenswürdige Sendschreiben von Muwatalli?»
«Heucheleien.»
«Wenn wir den Frieden bewahren, retten wir unzählige Leben.»
«Glaubst du nicht, dies sei auch mein innigster Wunsch?»
«Sind Mäßigung und Vorsicht nicht die besten Ratgeberinnen?»
«Predigst du Tatenlosigkeit, Chenar?»
«Gewiß nicht, aber ich fürchte einen gefährlichen Vorstoß durch einen ruhmgierigen Heerführer.»
«Sei beruhigt, mein Bruder, ich habe meine Armee fest in der Hand, so etwas wird nicht vorkommen.»
«Ich freue mich, das von dir zu hören.»
«Bist du mit den Diensten von Meba, deinem neuen Mitarbeiter, zufrieden?»
«Er ist so glücklich, wieder in seinem früheren Amt tätig sein zu dürfen, daß er sich wie ein gelehriger und eifriger Anfänger benimmt. Ich bedaure es nicht, ihn seinem Müßiggang entrissen zu haben, manchmal muß man jemandem, der seinen Beruf von Grund auf kennt, die Gelegenheit zu einem Neubeginn geben. Ist Großmut nicht die edelste aller Tugenden?»
ACHTUNDVIERZIG
CHENAR SCHLOSS SICH mit Meba in seinen Amtsräumen ein. Damit es nach einer der üblichen Arbeitssitzungen aussah, hatte sein auf Formen bedachter Mitarbeiter vorsorglich ein paar Rollen Papyrus mitgebracht.
«Ich habe den König gesprochen», erklärte Chenar. «Er weiß noch nicht so recht, wie er sich verhalten soll, da vertrauenswürdige Auskünfte fehlen.»
«Hervorragend!» befand Meba.
Chenar konnte seinem Verbündeten nicht sagen, daß Achas Schweigen ihn überraschte. Wieso teilte der junge Gesandte ihm nichts über sein Vorgehen mit, das doch entscheidend war, um Ramses’ Sturz zu beschleunigen? Vermutlich war ihm etwas zugestoßen. Und wegen dieses beunruhigenden Schweigens hatte auch er, Chenar, keinerlei Anhaltspunkte.
«Wie steht’s um unsere Pläne, Meba?»
«Unser Spionagenetz hat den Befehl erhalten, nichts mehr zu unternehmen und sich schlafend zu stellen. Mit anderen Worten: Unsere Stunde naht. Was der Pharao auch beschließen mag, er hat keine Aussicht mehr auf Sieg.»
«Woher beziehst du diese Gewißheit?»
«Die hethitischen Streitkräfte werden gerüstet sein, wie es besser nicht geht, davon bin ich überzeugt. Und jede Stunde, die verstreicht, bringt dich dem Gipfel der Macht nur näher. Sollte man diesen Zeitraum nicht nutzen, um den Kreis deiner Freunde in den verschiedenen Verwaltungsämtern zu erweitern?»
«Dieser verfluchte Ameni hat seine Augen überall… Vorsicht ist geboten.»
«Denkst du an eine… Gewaltlösung?»
«Zu früh, Meba. Der Zorn meines Bruders wäre fürchterlich.»
«Beherzige meinen Rat: Die Wochen werden schnell verstreichen, und du mußt bereit sein, zu regieren, mit Zustimmung unserer hethitischen Freunde.»
«Auf diesen Augenblick warte ich schon so lange… Sei unbesorgt, ich werde bereit sein.»
Dolente war Ofir gefolgt, ohne zu wissen, wohin. Der grauenvolle Tod der blonden Lita, die Soldaten, diese überstürzte Flucht… Sie konnte nicht mehr vernünftig denken, wußte nicht mehr ein noch aus. Als Ofir ihr den Vorschlag gemacht hatte, sich als seine Frau auszugeben und den Kampf zur Wiedereinführung des Kults von Aton, dem einzigen Gott, fortzusetzen, hatte sie begeistert zugestimmt.
Das Paar hatte den von Wachen abgesicherten Hafen von Memphis umgangen, sich einen Esel gekauft, sich wie Bauern gekleidet -Ofir ohne Bart und Dolente ohne Schminke - und den Weg nach Süden eingeschlagen. Der Spion wußte, daß man im Norden von Memphis und in Grenznähe nach ihnen suchte. Den Straßensperren und Flußwachen zu entgehen war fast aussichtslos, es sei denn, sie verhielten sich so, wie es niemand erwartete.
War es nicht sinnvoll, bei den glühenden Anhängern Echnatons, des abtrünnigen Königs, Unterschlupf zu suchen? Die meisten von ihnen hatten
Weitere Kostenlose Bücher