Microsoft Word - Christian Jacq - RAMSES3 - Die Schlacht von Kadesch.rtf
können?»
«Keine ernstzunehmende Spur.»
Der Kriegsrat versammelte sich unter dem königlichen Zelt. Ramses saß auf einem Faltstuhl aus vergoldetem Holz, den Löwen zu seinen Füßen.
Der Monarch hatte Acha und alle höheren Offiziere aufgefordert, ihre Meinung vorzutragen. Der alte General ergriff als letzter das Wort.
«Die Stimmung in der Truppe ist ausgezeichnet, Tiere und Ausrüstung in bester Verfassung. Majestät hat soeben einen strahlenden Sieg errungen, der in die Annalen eingehen wird.»
«Gestatte mir, dies zu bezweifeln.»
«Majestät, wir sind stolz, an dieser Schlacht teilgenommen zu haben und…»
«Schlacht? Spar dir dieses Wort für später. Es wird uns nützlich sein, wenn wir erst auf echten Widerstand stoßen.»
«Pi-Ramses freut sich schon, dich zu bejubeln.»
«Pi-Ramses wird sich gedulden müssen.»
«Aber wir haben uns doch Palästina wieder unterstellt, ganz Kanaan befriedet…
Wäre es nicht ratsam, nun umzukehren?»
«Das Schwierigste steht uns noch bevor: die Provinz Amurru zurückzuerobern.»
«Die Hethiter haben dort womöglich gewaltige Kräfte zusammengezogen.»
«Solltest du Angst haben zu kämpfen, General?»
«Wir brauchen Zeit, Majestät, die Vorgehensweise auszuarbeiten.»
«Sie ist ausgearbeitet: wir ziehen geradewegs gen Norden.»
SECHZEHN
AUF DEM KOPF eine Kurzhaarperücke und gekleidet in ein rot gegürtetes Gewand, betrat Nefertari, nachdem sie sich die Hände im Wasser aus dem heiligen See gereinigt hatte, den Kultraum des Amuntempels, um der Gottheit die erlesenen Köstlichkeiten des abendlichen Mahls darzubringen. Die Königin erwies sich dadurch als Gemahlin des Gottes und zugleich als Tochter des Lichts, jener Schöpfungskraft, die das Weltall unablässig neu gestaltete.
Dann schloß Nefertari wieder die Tore, verriegelte sie, verließ den Tempel und folgte den Vorlesepriestern, die sie zum Haus des Lebens von Pi-Ramses geleiteten, wo sie als Verkörperung der entrückten Göttin, die zugleich Tod und Mütterlichkeit versinnbildlichte, die Mächte des Bösen zu bannen hatte. Gelänge es ihr, mit dem Auge der Sonne zu sehen, würde der Lebenshauch ewig währen und der immerwährende Ablauf der Jahreszeiten gesichert sein. Und wenn es ihr gelang, die von den bedrohlichen Winden herangewehte zerstörerische Kraft in Harmonie und Heiterkeit zu verwandeln, dann würden die Tage friedvoll und glücklich verlaufen.
Ein Priester überreichte der Königin einen Bogen, und eine Priesterin übergab vier Pfeile.
Nefertari spannte den Bogen und schoß den ersten Pfeil gen Osten, den zweiten gen Norden, den dritten gen Süden und den vierten gen Westen. So würde sie die unsichtbaren Feinde, die Ramses bedrohten, vernichten.
Tujas Kammerdiener erwartete Nefertari.
«Die Mutter des Königs wünscht dich so bald als möglich zu sehen.»
Die Große Königliche Gemahlin bestieg den Tragsessel.
Die schlanke Tuja in ihrem eng gefältelten Leinengewand, an der Taille zusammengehalten von einem gestreiften Band, mit den goldenen Armreifen und der sechsreihigen Lapislazulikette war eine erhabene Erscheinung.
«Sei unbesorgt, Nefertari: ein Bote kam soeben aus Kanaan und brachte gute Nachricht. Ramses beherrscht die gesamte Provinz, die Ordnung ist wiederhergestellt.»
«Wann kehrt er heim?»
«Den Zeitpunkt nennt er nicht.»
«Mit anderen Worten: Die Armee zieht weiter gen Norden.»
«Das ist wahrscheinlich.»
«Hättest du das auch getan?»
«Ohne zu zögern», erwiderte Tuja.
«Im Norden Kanaans liegt die Provinz Amurru, die Grenze zwischen dem ägyptischen und dem hethitischen Einflußbereich.»
«Das hatte Sethos so gewollt, um Krieg zu vermeiden.»
«Wenn die hethitischen Truppen diese Grenze überschritten haben…»
«Kommt es zum Zusammenstoß, Nefertari.»
«Ich habe die Pfeile in die vier Horizonte entsandt.»
«Wenn der Ritus befolgt wurde, was sollen wir dann befürchten?»
Chenar haßte Ameni. Wie unerträglich, allmorgendlich gezwungen zu sein, diesem kleinen, schmächtigen und prahlerischen Schreiber gegenüberzutreten, um Auskunft zu erhalten über Ramses’ Feldzug! Wenn er, Chenar, erst einmal an der Macht wäre, würde Ameni bei einem Provinzregiment die Stallungen schrubben und dabei das bißchen, was ihm an Gesundheit verblieb, einbüßen.
Die einzige Genugtuung war, daß die betrübte Miene des königlichen Oberschreibers von Tag zu Tag länger wurde, was unbezweifelbar darauf hindeutete, daß die ägyptische Armee auf der
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