Microsoft Word - Christian Jacq - RAMSES3 - Die Schlacht von Kadesch.rtf
auf, solchen Unsinn zu reden, ruh dich jetzt lieber aus. Sollte uns ein Hethiter in die Hände fallen, brauchen wir deine Sprachkenntnisse.»
In Begleitung seines Löwen war Ramses rund um die Festung geschritten und hatte den Wehrbau von allen Seiten in Augenschein genommen. Einst Sinnbild für Frieden und Sicherheit, war dieses wehrhafte Bollwerk nun zu einer Bedrohung geworden.
Von den zinnenbewehrten Mauern herab beobachteten die kanaanäischen Späher den Pharao.
Kein Schrei, kein Schmähruf wurde laut. Man hoffte insgeheim, die ägyptische Armee würde darauf verzichten, die Festung einzunehmen, dann ausschwärmen, Kanaan inspizieren und dann erst das weitere Vorgehen entscheiden. Wenn das einträfe, würden die von den hethitischen Ausbildern organisierten Hinterhaltstellungen die Truppen des Pharaos zum Rückzug zwingen.
Setaou, der überzeugt war, die Absichten des Gegners durchschaut zu haben, fragte sich insgeheim, ob es nicht sinnvoller wäre, sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen, anstatt eine so wehrhafte Festung anzugreifen und zahllose Menschenleben zu opfern.
Auch die Generäle stellten sich diese Frage und wollten, nachdem sie sie erörtert hatten, dem Pharao vorschlagen, eine Bewachungsmannschaft hier zu belassen, damit die Rebellen nicht fliehen konnten, mit dem Großteil der Truppen aber weiter gen Norden zu ziehen, um die genaue Lage der Aufständischen zu erkunden.
Ramses schien so in Gedanken vertieft, daß niemand ihn anzusprechen wagte, bevor er nicht seinem Löwen, der unbeweglich und würdevoll neben ihm lag, liebevoll über die Mähne strich. Der Mann und das wilde Tier versinnbildlichten eine vollkommene Eintracht, von der eine Kraft ausströmte, die jedem, der sich ihnen näherte, Unbehagen einflößte.
Schließlich wagte sich der älteste der Generäle, der schon unter Sethos in Syrien gedient hatte, vor, selbst auf die Gefahr hin, den Herrscher zu verärgern.
«Majestät… Darf ich etwas sagen?»
«Ich höre.»
«Wir Generäle sind nach ausführlicher Beratung zu der Ansicht gelangt, daß es ratsam sei, das Ausmaß des Aufstands in Erfahrung zu bringen. Da die Botschaften gefälscht waren, ist unsere Sicht getrübt.»
«Und was schlagt ihr vor, um wieder klar zu sehen?»
«Uns nicht an diesem Bollwerk festzubeißen, sondern auszuschwärmen über ganz Kanaan, um anschließend wohlüberlegt zuzuschlagen.»
«Eine bedenkenswerte Sicht der Dinge.»
Der alte General war erleichtert. Ramses war also doch zugänglich, wenn man aufgrund klarer Gedankengänge zu Mäßigung riet.
«Soll ich den Kriegsrat einberufen, Majestät, damit du deine Anordnungen kundtun kannst?»
«Nicht nötig», erwiderte der König, «sie sind in wenigen Worten zusammenzufassen: Wir werden diese Festung jetzt sofort stürmen.»
FÜNFZEHN
RAMSES ERGRIFF DEN Bogen aus Akazienholz, den nur er zu spannen vermochte, und schoß den ersten Pfeil ab. Die Bogensehne stammte von einem Stier und erforderte eine Kraft, die wohl nur Gott Seth verleihen konnte.
Als die kanaanäischen Späher den König von Ägypten in mehr als sechshundert Ellen Entfernung in Schießstellung gehen sahen, lächelten sie nur höhnisch. Das war nichts weiter als auftrumpfendes Gehabe, um der Armee Mut zu machen.
Der Schilfrohrpfeil mit der bronzeumhüllten Hartholzspitze und den Widerhaken beschrieb einen Kreisbogen am klaren Himmel und bohrte sich dann dem ersten Späher mitten ins Herz. Verblüfft sah er das Blut aus seinem Leib spritzen und stürzte kopf
über ins Leere. Der zweite Späher verspürte einen heftigen Schlag gegen die Stirn, wankte und stürzte ebenfalls hinab. Der dritte, von Entsetzen gepackt, fand gerade noch Zeit, Hilfe zu rufen, doch als er sich umwandte, traf ihn ein Pfeil in den Rücken, und er brach im Innenhof zusammen. Die Bogenschützeneinheit der Ägypter kam immer näher.
Die kanaanäischen Schützen versuchten, sich entlang den Zinnen zu verteilen, doch die zahlenmäßig überlegenen und genau zielenden Ägypter töteten auf einen Schlag schon die Hälfte.
Dem Nachschub war das gleiche Los beschert. Als die Zahl der gegnerischen Schützen nicht mehr ausreichte, um den Zugang zur Festung zu verwehren, befahl Ramses seinen Fußtruppen, mit Leitern heranzurücken. Schlächter, der riesige Löwe, beobachtete den Ablauf der Ereignisse mit Gelassenheit.
Nachdem sie die Leitern an die Mauern gelehnt hatten, begannen die Soldaten hochzuklettern. Als die Kanaanäer begriffen hatten, daß die
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