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Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt

Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt

Titel: Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dfg
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genügender Größe, aufgespannt zwischen drei Sternen dort draußen, bei genauer Messung eine andere Winkelsumme habe als die erwarteten hundertachtzig Grad, sich also als sphärischer Körper erweisen werde. Als er gestikulierend aufsah, bemerkte er die Spinnweben an der Decke, mehrere Schichten davon, filzig ineinandergewoben. Eines Tages würden solche Messungen durchführbar sein! Doch sei das noch lange hin, einstweilen benötige er die Meinung des einzigen, der ihn nicht für verrückt halten könne, der ihn verstehen müsse. Die Meinung des Mannes, welcher die Welt mehr über Raum und Zeit gelehrt habe als irgendein anderer. Er ging in die Hocke, so daß sein Gesicht auf gleicher Höhe mit dem des Männchens war. Er wartete. Die kleinen Augen richteten sich auf ihn.
Wurst, sagte Kant.
Bitte?
Der Lampe soll Wurst kaufen, sagte Kant. Wurst und Sterne. Soll er auch kaufen.
Gauß stand auf.
Ganz hat mich die Zivilität nicht verlassen, sagte Kant. Meine Herren! Ein Tropfen Speichel rann über sein Kinn.
Der gnädige Herr sei müde, sagte der Diener.
Gauß nickte. Der Diener berührte mit dem Handrükken Kants Wange. Das Männchen lächelte schwach. Sie gingen hinaus, der Diener verabschiedete sich mit einer wortlosen Verbeugung. Gauß hätte ihm gern etwas Geld gegeben, aber er hatte selbst nichts mehr. Von weitem hörte er den Gesang dunkler Männerstimmen. Der Gefängnischor, sagte der Diener. Der habe den gnädigen Herrn immer sehr gestött.
In der Kutsche, eingeklemmt zwischen einem Pastor und einem dicken Leutnant, der verzweifelt versuchte, Mitreisende in ein Gespräch zu ziehen, las er zum dritten Mal den Artikel über den rätselhaften Planeten. Natürlich konnte man seine Bahn berechnen! Man mußte bloß beim Näherungsverfahren von einer Ellipse statt einem Kreis ausgehen und sich dann etwas geschickter anstellen, als die Strohköpfe es getan hatten. Ein paar Tage Arbeit, dann konnte man voraussagen, wann und wo er wieder auftauchen würde. Als der Leutnant ihn nach seiner Meinung zum spanisch-französischen Bündnis fragte, wußte er nichts zu antworten.
Ob er denn nicht meine, fragte der Leutnant, das werde Österreichs Ende sein?
Er zuckte die Schultern.
Und dieser Bonaparte!
Bitte wer, fragte er.
Zurück in Braunschweig schrieb er Johanna einen zweiten Antrag. Dann holte er das Fläschchen Curare aus dem Giftschrank des chemischen Instituts. Irgendein Forscher hatte es kürzlich mit einer Sammlung von Gewächsen, Steinen und vollgeschriebenen Papieren über den Ozean gesandt, ein Chemiker hatte es aus Berlin hergebracht, und seither stand es da, und keiner wußte, was man damit anfangen sollte. Angeblich wirkte bereits eine winzige Dosis tödlich. Seiner Mutter würde man sagen, daß es ein Herzanfall gewesen sei, durch nichts angekündigt, nicht zu verhindern, Gottes Wille. Er rief einen Boten von der Straße, versiegelte den Brief und bezahlte mit seinem letzten Geld. Dann starrte er aus dem Fenster und wartete.
Er entkorkte die Flasche. Die Flüssigkeit roch nach nichts. Ob er zögern würde? Wahrscheinlich. So etwas wußte man nicht, bevor man es wirklich versuchte. Doch es überraschte ihn, daß er so wenig Angst hatte. Der Bote würde die Ablehnung bringen, und dann wäre sein Tod ein neuer Schachzug im Spiel, etwas, womit der Himmel nicht gerechnet hatte. Man hatte ihn in die Welt geschickt, mit einem Verstand, der fast alles Menschliche unmöglich machte, in eine Zeit, da jede Unternehmung noch schwer, anstrengend und schmutzig war. Man hatte sich über ihn lustig machen wollen.
Die andere Möglichkeit, jetzt, da das Werk geschrien ben war? Jahre in Mittelmäßigkeit, Broterwerb auf entwürdigende Art, Kompromisse, Furcht und Ärger, neue Kompromisse, Schmerzen an Leib und Seele, sowie das langsame Verkümmern aller Fähigkeiten bis hin zur Schwäche des Alters. Nein!
Mit erstaunlicher Klarheit nahm er wahr, wie stark er zitterte. Er hörte das Rauschen in seinen Ohren, sah das Zucken seiner Hände, lauschte den kurzen Stößen seines Atems. Fast amüsierte es ihn.
Es klopfte. Eine Stimme, der seinen entfernt ähnlich, rief: Herein!
Der Bote kam, drückte ihm einen Zettel in die Hand und wartete mit frecher Miene auf Trinkgeld. Auf dem Boden der untersten Schublade fand er noch eine Münze. Der Bote warf sie in die Luft, machte eine halbe Drehung und fing sie hinter seinem Rücken auf. Sekunden später sah er ihn unten über die Gasse laufen.
Er dachte ans Jüngste Gericht. Er glaubte nicht,

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