Microsoft Word - Green, Simon R.-Todtsteltzers Ende
konzentrierten sich ganz darauf, ihr
Ziel zu erreichen, ohne groß Aufmerksamkeit zu erwecken. Die Gesichter wirkten grimmig und gehetzt
und oft auch eindeutig verängstigt. Das verdutzte
Owen. Bislang waren ihm keine erkennbaren Gefahren
aufgefallen, und die Umgebung schien gar nicht von
der Art, in der das Verbrechen florierte. Er wanderte
zwischen den eilenden Gestalten einher, und niemand
erkannte den mächtigen Owen Todtsteltzer.
Er wusste nicht recht, was er dabei empfand. Einerseits wollte er ja nicht erkannt werden. Das hätte
die Sache komplizierter gemacht. Aber... falls er
wirklich der große legendäre Held war, wie ihm gegenüber alle behaupteten, sicher hätte ihn dann doch
inzwischen jemand erkannt haben müssen? Er
brauchte auf eine Antwort nicht lange zu warten.
Viele Straßenecken und Plätze waren mit mächtigen
steinernen Statuen geschmückt, die verschiedene Gestalten der glorreichen Rebellion feierten, und sämtliche Gestalten und Gesichter waren so idealisiert,
dass man sie nicht mehr zu erkennen vermochte. Er
blieb vor einer Statue stehen, die ihn darstellen sollte,
und schüttelte den Kopf. Sein Name stand auf dem
Sockel, aber das war so ziemlich alles, was sie richtig hinbekommen hatten. In seinem Leben hatte
Owen nie so fit, muskulös und regelrecht gut ausgesehen. Er lächelte trocken. Niemand würde ihn anhand dieser Abbildung erkennen. Zu seiner Zeit hatte
man zumindest jemanden ausgesucht, der ihm vage
ähnlich sah, wenn sie einen Star für ihre albernen
Dokudramen brauchten...
Vor vielen Standbildern lagen Blumensträuße wie
Opfergaben aufgehäuft. Sie wirkten frisch. Teilweise
erblickte er auch zusammengerollte Bögen Papier,
mit bunten Bändern zugebunden. Einige waren an
Owen adressiert, sodass er ein paar aufhob und öffnete, Wie sich herausstellte, waren es Gebete, aus
Gründen der Privatsphäre im altmodischen Stil auf
Papier geschrieben. Gebete um Owens Rückkehr, auf
dass er all der Angst und dem Leiden ein Ende bereiten möge: Errette uns vor dem Schrecken, hieß es auf
manchen. Errette uns vor dem Imperator auf anderen. Owen rollte die Bögen wieder zusammen und
legte sie zurück. Er wollte keine falschen Hoffnungen wecken. Er glaubte nicht, dass ihm die ganze
Sache gefiel. Die Menschen dieser wunderbaren modernen Stadt hätten nicht Owen und seine Zeitgenossen anbeten sollen, als wären es mindere Götter
auf irgendeinem barbarischen Planeten. Hatte man
hier denn kein Zutrauen zu sich selbst?
Er suchte sich seinen Weg zu den Siegesgärten
hinter der ausgebrannten Ruine dessen, was einst das
Parlamentsgebäude gewesen war, und dort entdeckte
er Standbilder seiner beiden alten Freunde Jakob
Ohnesorg und Ruby Reise, die groß und stolz auf
ihren Sockeln standen. Er glaubte, etwas von den tatsächlichen Persönlichkeiten in den gemeißelten Gesichtern wiederzuerkennen, aber keiner von beiden
hatte zu Lebzeiten je so heldenhaft oder so nobel gewirkt. Owen musterte ausgiebig die beiden Gräber
vor den Statuen. Zumindest ruhten Jakob und Ruby
in richtigen Gräbern. Es erschien ihm unwahrscheinlich, dass ihm oder Hazel je das Gleiche zuteil werden würde. Und wenigstens Jakob und Ruby hatten
etwas gemeinsamen Frieden gefunden, lagen Seite an
Seite, respektiert und geehrt.
Manchmal glaubte Owen, das gesamte Universum
würde von Ironie angetrieben.
Er ging weiter die Straßen entlang und gewann
immer stärker den Eindruck, durch eine besetzte
Stadt zu wandern. Jetzt, da er das Stadtzentrum erreicht hatte, sah er Soldaten an jeder Ecke, alle ganz
offen bewaffnet, die meisten mit dem roten Kreuz
der Militanten Kirche auf der Körperpanzerung. Und
hier und dort erblickte Owen die Rüstung und den
Purpurumhang eines Paragons, einst noble Männer
und Frauen, heute von Elfen besessen. Owen musterte die Paragone nachdenklich, aber sie schienen seine
Gegenwart nicht zu spüren. Und überall, wohin sein
Blick fiel, fanden sich hell leuchtende Hologramme
des neuen Imperators Finn Durandal. Manche davon
waren so groß, dass man sie gleich auf eine ganze
Gebäudeflanke projizierte. Owen fand, dass der Typ
viel besser aussah, als für ihn gut war, und deutlich
zu selbstgefällig. Außerdem dachte er darüber nach,
dass es wohl ein tolles Gefühl wäre, dieses Lächeln
mit einer Ohrfeige aus dem Gesicht des Imperators
zu jagen.
Gern hätte er seinen Spaziergang unbeachtet fortgesetzt, aber natürlich musste er sich einmischen. Eine
etwas ältere Barmherzige Schwester in einem
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