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Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Titel: Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jojox
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Schluss. Solange ich mich erinnern konnte, hatte ich immer Ärger und Probleme gehabt. Immer wurde ich aus dem einen oder anderen Grund bestraft. Wann immer meine Eltern sich gestritten hatten, wurde mein Name in den Ring geworfen. War das wirklich alles Mutters Schuld?
    Vielleicht hatte ich ja doch all das verdient, was mir im Lauf der Jahre angetan worden war. Ich hatte ja wirklich gelogen und Essen gestohlen. Und ich wusste, dass ich der Grund dafür war, dass Vater und Mutter nicht mehr zusammenlebten. Würden die Kreisbehörden Mutter jetzt ins Gefängnis werfen? Aber was würde dann mit meinen Brüdern geschehen? An jenem Tag saß ich, als Ms. Gold gegangen war, allein auf dem Sofa. Viele Fragen schwirrten in meinem Kopf herum. Ich fühlte, wie ich innerlich ganz weich wurde. Mein Rückgrat schwand. Mein Gott! Was hatte ich nur getan?
    Ein paar Tage später, an einem Sonntagnachmittag, als ich draußen war und gerade lernte, Basketball zu spielen, hörte ich die altvertrauten Geräusche von Mutters Kombiwagen. Ich hatte sofort ein Gefühl, als 48

    bliebe mir das Herz stehen. Ich schloss die Augen und dachte, es sei alles

    nur ein Tagtraum. Doch als mein Gehirn reagierte, machte ich kehrt und rannte ins Haus zu Tante Mary.
    Ich bestürmte sie. »Das ist ... es ist meine ... «, stotterte ich.
    »Ja, ich weiß«, sagte Tante Mary ganz sanft, als sie mich im Arm hielt. »Dir wird überhaupt nichts geschehen.«
    »Nein! Du verstehst nicht ... sie wird mich wegholen!
    Sie hat mich gefunden!«, schrie ich. Ich versuchte mich aus Tante Marys Griff zu befreien, um hinausrennen zu können. Ich wollte mir ein sicheres Versteck suchen.
    Doch Tante Mary lockerte ihren Griff nicht. »Ich wollte dir Aufregung ersparen«, sagte sie. »Sie ist nur gekommen, um dir ein paar Sachen zu bringen. Du hast am Mittwoch einen Gerichtstermin, und deine Mutter möchte, dass du dann nett aussiehst.«
    »Nein! «, schrie ich. »Sie nimmt mich mit! Sie will mich zurückholen! «
    »David, sei still! Ich bin ja da, wenn du mich brauchst.
    Und jetzt sei bitte still, Junge!« Tante Mary tat ihr Bestes, um mich zu beruhigen. Aber mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, als ich sah, wie Mutter den Gehweg herunterkam, mit ihren vier Söhnen im Schlepptau.
    Ich saß an Tante Marys Seite. Man begrüßte sich, und als wäre ich ein Pawlowscher Hund, dem man bestimmte Dinge antrainiert hat, wurde ich sogleich wieder mein altes Ich - das Kind, das man >Es< nannte.
    Von einem Augenblick zum andern wurde aus einem 49

    enthusiastischen Jungen wieder Mutters unsichtbarer Haussklave.
    Mutter nahm meine Gegenwart überhaupt nicht zur Kenntnis. Stattdessen wandte sie sich an Tante Mary.
    »Also, sagen Sie, wie geht's dem Jungen?«
    Ich schaute Tante Mary ins Gesicht. Sie schien verblüfft zu sein. Ihre Augen flackerten einen Augenblick. »David? Ach, David geht's ganz gut. Danke der Nachfrage. Hier sitzt er übrigens«, erwiderte Tante Mary und drückte mich ein wenig fester an sich.
    »Ja«, sagte Mutter mit trockener Stimme, »das sehe ich.« Ich spürte, wie mich Mutters Hass durchdrang.
    »Und wie kommt er mit den anderen Kindern zurecht?«
    Tante Mary neigte ihren Kopf zur Seite. »Ganz gut.
    David ist sehr höflich und äußerst hilfsbereit im Haus.
    Immer sucht er nach Gelegenheiten zu helfen«, antwortete sie. Sie wusste wohl, dass Mutter nicht die Absicht hatte, mit mir direkt zu sprechen.
    »Na gut, aber ... Sie sollten sehr vorsichtig sein«, warnte Mutter. »Er hat schon versucht, andere Kinder zu verletzen. Er kommt mit anderen nicht gut aus. Der Junge
    ist gewalttätig. Er braucht eine
    Sonderbehandlung. Er braucht Disziplin, und nur ich weiß, wie man ihn diszipliniert. Sie kennen den Jungen noch nicht.«
    Ich konnte spüren, wie die Muskeln in Tante Marys Arm sich spannten wie ein Trommelfell. Sie lehnte sich vor und lächelte Mutter betörend an - mit einem Lächeln, das sie Mutter am liebsten links und rechts um die Ohren gehauen hätte. »David ist ein lieber Junge.
    David ist vielleicht ein wenig überschwänglich ... aber was würde man anderes erwarten, wenn man bedenkt, was David alles durchgemacht hat! «

    50

    Plötzlich ging mir auf, was da ablief. Mutter versuchte, Kontrolle über Tante Mary zu gewinnen, und Mutter war dabei, den Kürzeren zu ziehen. Äußerlich hingen meine Schultern schlaff nach vorn, und ich schaute Mutter mit einem ängstlichen Hundeblick an oder starrte nach unten

    auf den Teppich. Doch innerlich waren

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