Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Titel: Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jojox
Vom Netzwerk:
fest zusammen, wie ich konnte. Als sie fertig war, starrte ich in den gelb gestrichenen Raum mit all den Snoopy-Comicfiguren.
    Ich sah an mir herunter, auf verschiedene Teile meines Körpers. Meine Beine und Arme waren eine Mischung aus Gelb und Braun. Dunkle Kreise von purpurfarbenen Blutergüssen verblassten über frischen Ringen von blauen Flecken - dort, wo sie mich gepackt, geboxt oder auf den Küchenboden geschleudert hatte. Als der Arzt den Raum betrat, schien er über den Zustand meiner Arme und Beine sehr besorgt zu sein. Meine Finger waren trocken, rau und rot vom jahrelangen Gebrauch verschiedener Reinigungsmittel bei meinen diversen Pflichten im Haushalt. Der Arzt kniff mir in die Fingerspitzen und fragte, ob ich den Druck spüren könne. Ich schüttelte den Kopf. Nein, das konnte ich nicht. Schon eine ganze Weile hatte ich kein Gefühl mehr in den Fingerspitzen. Er schüttelte den Kopf und behauptete, das sei nicht weiter schlimm. Darum dachte ich nicht weiter darüber nach.
    Anschließend führte mich der Polizist freundlich durch ein Gewirr von Korridoren, als wir für alle möglichen Untersuchungen, Tests, Blutentnahmen und Röntgenaufnahmen verschiedene Räume aufsuchten.
    Ich spürte, dass ich mich wie in Trance bewegte. Es war mir, als würde ich das Leben von jemand anders mit meinen eigenen Augen beobachten. Ich bekam solche Angst, dass ich den Polizisten immer inständiger bat, erst um jede Ecke zu schauen und in jeden Raum zu gehen, ehe ich selbst ihm folgte. Ich wusste, dass irgendwo da draußen Mutter auf der Lauer lag - bereit, 40

    mich wieder an sich zu reißen. Zunächst weigerte sich der Polizist, meine Bitten zu erfüllen, aber als ich dann wie versteinert dastand und nicht atmen oder mich bewegen konnte, munterte mich der Polizist auf und tat, worum ich ihn gebeten hatte. Tief in meinem Herzen wusste ich, dass das alles etwas zu schnell ging -
    irgendwie fiel es mir zu leicht, Mutter zu entkommen.
    Nach einigen Stunden landeten wir wieder bei der Schwester, die mich anfangs gewaschen hatte. Sie beugte sich herunter, um etwas zu sagen. Sie starrte mir in die Augen, und dann wandte sie sich nach einigen Augenblicken ab. Ich konnte sie schniefen hören. Hinter mir kam der Arzt herein, klopfte mir auf die Schulter und gab mir einen Beutel mit Handcreme.
    Dann wies er mich an, meine Arme so sauber wie möglich zu halten. Er sagte, für einen Verband sei es leider schon zu spät. Ich sah den Polizisten an und dann meine Arme. Ich verstand nicht, worum es ging.
    Für mich schienen meine Arme genauso auszusehen wie immer - dunkelrot und mit wenig Haut. Beide Arme juckten ein wenig, aber das war für mich normal. Ehe der Polizist und ich gingen, wandte sich der Arzt noch einmal uns zu und sagte zum Polizisten: »Sorgen Sie dafür, dass David genug zu essen bekommt. Und sehen Sie

    zu, dass er viel an der Sonne ist.« Dann beugte sich der Arzt ein wenig näher zum Polizisten hin und fragte:
    »Wo ist sie? Sie wollen ihn doch nicht etwa zurück zu seiner ... ?«
    Der Polizist sah dem Arzt fest in die Augen. »Keine Angst, Doc. Ich habe dem Jungen mein Wort gegeben.
    Seine Mutter wird ihm nie wieder wehtun.«

    41

    Von diesem Augenblick an wusste ich, dass ich in Sicherheit war. Ich stand in der Nähe des Polizisten und wollte am liebsten sein Bein umarmen, aber ich wusste, dass ich das besser nicht tat. Meine Augen strahlten vor Freude. Dieser Polizist wurde mein Held.
    Ein paar Minuten nachdem wir das Krankenhaus verlassen hatten, fuhren wir langsam in seinem Auto auf der einspurigen Straße durch die Hügellandschaft. Ich ließ das Fenster auf meiner Seite herunter und starrte verwundert die sanften braunen Hügel und die riesigen Redwoodbäume an. Einige Augenblicke später parkte der Polizist das Auto. »Nun, David, jetzt sind wir da.«
    Unter mir erblickte ich das schönste Haus, das ich je gesehen hatte. Der Polizist erklärte mir, hier würde ich jetzt eine Zeit lang wohnen, dies sei mein neues Zuhause mit einer Pflegefamilie. Ich hatte das Wort
    >Pflegefamilie< noch nie gehört, aber ich wusste, dass es mir hier gefallen würde. Es schien mir wie ein riesiges Blockhaus zu sein, mit vielen offenen Fenstern.
    Ich konnte sehen, dass hinter dem Haus ein großer Garten lag, und das Kreischen und Lachen, das von dort kam, wurde von dem kleinen Bach wie ein Echo zurückgeworfen.
    Die ältere Frau, die dieses provisorische kleine Kinderheim leitete, stellte sich selbst als >Tante Mary< vor

Weitere Kostenlose Bücher