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Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Titel: Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jojox
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dass ich noch irgendwas zu sagen habe«, erwiderte ich kühl.

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    Ms. Gold beugte sich zu mir hinüber. Sie versuchte, mich zu zwingen, ihr in die Augen zu sehen. »David, bitte ... «, bettelte sie.
    Doch für mich war sie einfach nicht mehr da. Ich wusste, dass meine Betreuerin alles versuchte, was in ihrer Macht stand, um mir zu helfen, aber ich fürchtete mich vor Mutters Zorn viel mehr als vor Ms. Golds. Seit Mutter mit Nachdruck gesagt hatte »Ich werde dich zurückholen!«, wusste ich, dass in meiner neuen Welt alles umsonst und verloren war.
    Ms. Gold wollte meine Hand ergreifen und halten.
    Aber ich schlug ihr auf die Finger und drehte ihr den Rücken zu. »David James Pelzer!« schrie sie mich an.
    »Hast du auch nur die leiseste Ahnung, was du da sagst? Verstehst du, was du da tust? Du solltest dir besser über deine Geschichte klar werden! Du wirst in Kürze eine sehr wichtige Entscheidung treffen müssen, und du solltest dann lieber darauf vorbereitet sein! «

    Ms. Gold setzte sich wieder hin und klemmte mich am Ende der Couch zwischen ihren Knien ein. »David, du musst dir klarmachen, dass es im Leben eines Menschen einige Augenblicke gibt, in denen man Entscheidungen trifft, jetzt trifft, die dann Einfluss auf den ganzen Rest des Lebens haben. Ich kann dir helfen, wenn du mich nur lässt. Verstehst du mich?«
    Ich wandte mich erneut ab. Plötzlich sprang Ms. Gold von der Couch auf. Ihr Gesicht wurde feuerrot und ihre Hände zitterten. Ich versuchte meine Gefühle zurückzuhalten, doch ich hatte einen Wutausbruch. »Nein!«, schrie ich. »Kapieren Sie's denn nicht? Verstehen Sie denn gar nichts? Sie wird mich zurückholen. Sie wird gewinnen. Sie gewinnt immer. Niemand kann Mutter 57

    aufhalten. Sie nicht, und auch sonst keiner! Sie wird mich zurückholen! «
    Ihr Gesicht wurde ganz blass. »O mein Gott! «, rief Ms. Gold aus, als sie sich zu mir herab beugte. »Hat sie das zu dir gesagt? David, mein Liebling ... « Sie streckte ihre Arme aus, um mich zu umarmen.
    »Nein!«, schrie ich aus Leibeskräften. »Warum lassen Sie mich nicht in Ruhe? Gehen ... Sie ... einfach ...
    weg!«
    Ms. Gold stand einige Augenblicke lang über mich gebeugt, dann machte sie auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Zimmer. Ein paar Sekunden später konnte ich hören, wie sie die Verandatür vor der Küche zuknallte. Ohne nachzudenken, rannte ich in die Küche.
    Wie erstarrt blieb ich hinter der Tür stehen. Durch die Veranda konnte ich sehen, wie Ms. Gold den steilen Gehweg hinaufstolperte. Ihre Papiere entglitten ihr, und sie versuchte,

    einige noch in der Luft wieder aufzufangen. »Scheiße!«, schrie sie. Die Papiere flogen in allen Himmelsrichtungen davon, während sie verzweifelt versuchte, sie wieder auf einen Haufen zu stapeln. Als sie aufstand, fiel sie hin und schrammte sich das rechte Knie auf. Ich konnte die Frustration auf ihrem Gesicht sehen, als sie ihre Hand vor den Mund presste. Erneut versuchte Ms.
    Gold aufzustehen, doch diesmal vorsichtiger, und dann ging sie langsam zu ihrem Dienstwagen. Sie knallte die Autotür hinter sich zu und beugte den Kopf übers Steuer. Als ich hinter der Verandatür stand, konnte ich 58

    Ms. Gold - meinen Engel - hemmungslos schluchzen hören. Nach einigen Minuten ließ sie das Auto endlich an und raste davon.
    Ich blieb hinter der Tür stehen und weinte innerlich.
    Ich wusste, dass ich mir das niemals würde verzeihen können, aber Ms. Gold anzulügen schien mir das kleinere von zwei Übeln zu sein. Da stand ich nun hinter der Verandatür, ganz allein und verwirrt. Ich hatte das Gefühl, durch meine Lügen Mutter geschützt zu haben. Damit hatte ich meiner Meinung nach das Richtige getan. Ich wusste, dass Mutter mich zurückholen würde und dass niemand sie daran hindern könnte. Doch dann, als ich daran dachte, wie lieb Ms. Gold die ganze Zeit zu mir gewesen war, wurde mir auf einmal klar, in welch unmögliche Lage ich sie gerade gebracht hatte. Nie hatte ich jemandem weh tun wollen, und schon gar nicht Ms. Gold. Wie eine Statue stand ich hinter der Verandatür. Mein einziger Wunsch war, unter irgendeinen Stein kriechen und mich für immer verstecken zu können.

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3. KAPITEL

    Die Gerichtsverhandlung

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    Zwei Tage später fuhr Ms. Gold mit mir zum Amtsgericht. Zu Beginn der Fahrt herrschte zwischen uns völlige Funkstille. Ich saß neben ihr an der Tür und starrte in die Landschaft. Wir fuhren in nördlicher Richtung auf dem Highway 28o am Aquädukt entlang -

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