Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc
kommen lassen können.
Aber ich musste meine Ohren nicht besonders anstrengen, um zuzuhören. »... du trägst die Verantwortung, wenn du David mitnimmst. Er ist noch ein kleines Kind. Du hast doch gesehen, wie er ist.«
»Jetzt hör aber mal zu, Mom. Er ist schließlich schon zwölf. Er kommt ganz gut allein zurecht. Und außerdem, wir haben doch gar nichts getan«, setzte sich Larry zur Wehr. Ich wusste immer noch nicht, was Larry und ich falsch gemacht hatten.
»Nein? Warum hat denn dann Davids Mutter, die Übermutter, den ganzen Nachmittag mit mir telefoniert?«
Aha, sagte ich mir und musste schwer schlucken. Ich hörte, wie draußen eine Autotür zugeschlagen wurde.
Ich sprang ans Fenster und sah, wie Rudy mir zuwinkte. Ich ließ mich aufs Bett zurücksinken und wartete ergeben, bis ich an der Reihe war.
»Mister Pelzer ... beweg deinen kleinen Hintern her, und zwar sofort!«, schrie Lilian.
Augenblicklich sprang ich auf und rannte in die Küche. Ich wusste, dass ich mich in einer schwierigen Lage befand, aber es war ja nicht so, dass Mrs.
Catanze vorhatte, mir den Hosenboden zu versohlen.
Als ich in die Küche kam,
wurde ich neugierig. Ich wollte wissen, was genau Lilian mit mir vorhatte. Es war für mich das erste Mal, dass ich, wie Larry immer sagte, in die »Hundehütte«
musste.
130
»Jetzt sag mir«, begann Lilian, die Hand immer noch fest in die Hüfte gestemmt, »sag mir, dass nicht du dieses wandelnde Riesenpantoffeltier dazu gebracht hast, am Haus deiner Mutter vorbeizufahren.«
Ich schluckte schwer und versuchte abermals, meinen Charme spielen zu lassen. Ich strahlte Mrs. C
mit meinem schönsten Lächeln an. » Pantoff ... ? «
»Ja, ein Insekt ohne Gehirn! Und das wirst auch du gleich sein, wenn ich nicht bald eine Antwort bekomme! «, schäumte Lilian.
»Was zum Teufel ist denn hier los?«, rief Rudy, als er in die Küche kam.
»Stillgestanden! Keiner von euch beiden bewegt sich!
«, sagte Lilian warnend, als sie sich ihrem Mann zuwandte.
Ohne dass sie es mitbekam, hielt ich mir die Hand vor den Mund und kicherte. Ihre Bemerkung über Big Larry fand ich echt komisch. Ich sah ihn mit großen Insektenaugen und riesigen Flügeln vor mir, wie er herumflog und versuchte, Futter zu finden. Noch nie zuvor hatte ich Lilian so wütend gesehen. Und ich wusste, dass mir nichts anderes übrig blieb, als diesen Sturm über mich ergehen zu lassen. »Aber was ist denn nur so schlimm daran?«, sagte ich zu mir selbst.
Andererseits sah Big Larry so aus, als hätte er gerade einige schwere Brecher über sich ergehen lassen müssen.
Lilian marschierte direkt auf Rudy zu, der seine Augen zwischen Big Larry und mir hin und her wandern ließ. »Die einfältigen Zwillinge hier - Doofie und der Wunderknabe - haben eine kleine Spritztour zum Haus seiner Mutter unternommen. «
»Herrje!«, rief Rudy aus.
131
Ich stand vor den dreien und wusste nicht im Geringsten, was meine Handlungen für Konsequenzen haben sollten. »Was ist denn daran nur so schlimm?«, fragte ich mich nochmals.
»Tut mir Leid«, stieß ich hervor. »Das ist alles meine Schuld. Ich habe Larry gebeten, es zu tun. Alles, was wir getan haben, war, die Straße runter zu fahren. Wo liegt da das Problem?«, fragte ich mit Unschuldsmiene.
»Nun, deine Mutter hing den ganzen Nachmittag am Telefon, um sich wüst über dich zu beschweren«, sagte Lilian, während sie mit ihrem Finger auf mich zeigte.
»Du hättest die ganze Straße terrorisiert!«
»Nein!«, sagte ich kopfschüttelnd. »Sie lügt! Alles was wir getan haben, war, die Straße runter zu fahren.
Wir haben nichts weiter getan, ganz ehrlich«, sagte ich.
»David«, sagte Lilian mit einem tiefen Seufzer, »verstehst du denn nicht? Du darfst niemals auch nur in die Nähe des Hauses oder in die Nähe von ihren jungen und ihr selbst kommen!«
Meine Hände schossen in die Höhe. »Einen Augenblick noch mal! Ganz langsam. Was soll das heißen, ich darf nicht? «, schrie ich, um Lilians Aufmerksamkeit zu erringen. Aber ich konnte sie nicht mehr aufhalten, sie war jetzt mächtig in Fahrt.
»Und das ist ja noch längst nicht alles! Deine Mutter, die Heilige Mutter Teresa, hat mir gesagt, wenn ich nicht in der Lage sei, mit dem Jungen klarzukommen, dann werde sie schon jemand anders finden, der das könne!«
Ich dachte krampfhaft über die Bedeutung der Wörter
»dürfen« und »klarkommen« nach.
Lilian beugte sich herab. »Tu das nie wieder, hörst du, nie wieder! Du
Weitere Kostenlose Bücher