Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc
okay. Aber was gibt's denn da?«
»Versprichst du mir, nichts zu sagen?«
»Na klar, Mann. Aber was ist denn los?«
»Sag's niemand ... aber ich habe früher in dieser Straße gewohnt. «
Larry wandte den Kopf zum Straßenschild. »Cool! In welchem Haus? «
»In dem dunkelgrünen. Auf der linken Seite, da, mitten im Straßenblock«, sagte ich, mit der Hand dorthin zeigend.
»Hey, Mann, ich weiß nicht recht«, sagte er kopfschüttelnd. »Mom hätte bestimmt was dagegen. Also, das ist keine gute Idee! Was ist denn, wenn deine Mutter oder deine Brüder draußen sind?«
Ich stellte mein Fahrrad hinter einigen Büschen ab und spähte von einem Standort ganz in der Nähe die Straße hinab. Ich konnte Larry hinter mir herstolpern hören. Mein Herz raste. Ich wusste, dass das, was ich jetzt vorhatte, verkehrt und gefährlich war. »Wenn Sie sich entschließen, diese Mission anzunehmen ... «, flüsterte Larry, als hätten wir beide einen Auftrag aus Mission: Impossible vor uns.
»Los, weiter. Die Luft ist rein«, sagte ich und gab Larry das entsprechende Zeichen.
Larry schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht recht.«
»Los, komm«, bettelte ich. »Ich hab' dich noch nie um was gebeten. Mrs. C wird's nie erfahren. Außerdem 127
werde ich ... ich mach' deine Hausarbeiten für die ganze Woche mit. Okay? Bitte!«
»Okay, Junge. Es geht ja auch nur um deinen Hals.«
Ich sprang wieder aufs Fahrrad und fuhr langsam mit angezogenen Bremsen. Niemand schien draußen zu sein. Ich konnte sehen, dass das Garagentor zu Mutters Haus geschlossen war. Als wir uns dem grün-schwarzen Haus näherten, stieß ich einen Freudenschrei aus. Das ist ja sooo cool, sagte ich mir.
Plötzlich tauchten ein paar Köpfe am Fenster des Zimmers meiner Brüder auf. »Scheiße! «, murmelte ich.
»Was ist los?«, fragte Larry.
»Nichts wie weg!«, erwiderte ich.
»Was?«
»Ich sagte, nichts wie weg!«
»Hey, du, wo liegt das Problem?«
»Nicht Jetzt!«, schrie ich. »Los, komm schon! Weg!
Weg! Weg! «
Ich beugte mich über den Lenker und trat so fest in die Pedale, dass ich schon dachte, die Kette würde abspringen. Am Fuß der Straße schlitterte ich zum Stand. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich wartete nur darauf, dass das Garagentor aufging und Mutter mit ihrem Kombiwagen herausraste, während meine Brüder mich auf ihren Rädern durch die Straßen jagten. Ich hatte mir schon mehrere Fluchtwege zurechtgelegt.
»Hast du das gesehen?«, fragte ich.
»Was denn? Mensch, was ist los mit dir?«, fragte Larry.
»Das Fenster!«, sagte ich, immer noch keuchend, während ich die Straße hinauf zeigte. »Meine Brüder ...
sie haben mich gesehen!« Mit den Augen fixierte ich 128
alles, was im und am >Haus< geschah. Ich achtete auf jeden Laut.
Doch nichts geschah.
»Mensch«, beschwerte sich Big Larry, »du hast wohl zu viel James Bond im Kopf! Ich hab' überhaupt nichts gesehen. Du siehst doch nur Gespenster. Los, komm, lass uns weiterfahren. Und denk dran«, sagte Larry, als er weiterfuhr, »abgemacht ist abgemacht! «
»Aber nur, solange Mrs. C nichts rausfindet!«, antwortete ich, während ich versuchte, zu ihm aufzuschließen.
Als Larry und ich ein paar Stunden später zu Lilians Haus zurückkehrten, spürte ich sofort, dass etwas in der Luft lag. »Was ist los?«, flüsterte ich Larry zu. Er bedeutete mir mit Blicken: »Ich weiß es nicht.«
»Hey«, sagte er, »ich geh' einfach nach oben, hol' mir was zu essen und peile die Lage für dich, okay?«
Ich stimmte ihm eifrig zu. Dann sah ich Larry vom Fuß der Treppe aus zu. Plötzlich tauchte Mrs. Catanze auf. Instinktiv versteckte ich mich im Schatten. »Larry!
«, brüllte sie. »Beweg dein Vollmondgesicht augenblicklich hierher! Und du«, sie zeigte mit dem Finger auf mich da unten, »ich hab' dich gesehen! Du kannst in deinem Zimmer auf mich warten. Zack, zack, ihr beiden!«
Meine Augen wurden so groß wie Silberdollars. Ich setzte ein breites Lächeln auf, bleckte meine Zähne und zeigte mit dem Finger auf meine Brust. »Ich?«, fragte ich. Sie erwiderte mein Lächeln. Doch ich sah, dass sie die Hand in die Hüften gestemmt hatte. Da wusste ich, dass es wirklich ernst war und Unheil drohte. Ich wartete in meinem Zimmer und fragte mich, 129
was ich wohl ausgefressen hätte. In den letzten Tagen hatte ich absolut nichts aus den Läden im Ort gestohlen. Auch waren Larry junior und ich uns immer aus dem Weg gegangen. Ich hatte keine Ahnung, was ich mir hätte zuschulden
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