Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc
ehe er den Aktenordner schloss. »Ja«, sagte er, eher zu sich selbst, »du warst acht Jahre alt, als deine Mutter ... « - er setzte seine Brille auf und begann, in einem Papier aus der Akte zu lesen - » ...
deinen Arm nahm, deinen rechten Arm ... « er nickte erneut, aber diesmal zu mir hin - » ... und ihn über den Gasherd hielt. Stimmt das so?«
Mir war, als wäre in meinem Magen eine Bombe explodiert. Meine Hände begannen zu zucken.
Plötzlich fühlte sich mein ganzer Körper an, als wäre er aus Gummi.
Ich beobachtete seinen Gesichtsausdruck, als er lässig das Stück Papier auf seinen Schreibtisch zurücklegte - ein Papier, das die schrecklichsten Momente meines Lebens enthielt. Innerlich schrie ich auf: »Auf diesem Stück Papier da ist mein Leben aufgekritzelt - das ist mein Leben, das der große Doktor da in seinen Händen hält - und er kennt meinen Namen 121
immer noch nicht! Mein Gott! ... Wenn das nicht total verrückt ist! «
»Daniel, was meinst du, warum hat dich deine Mutter an jenem Tag verbrannt? Du kannst dich doch an diesen Vorfall noch erinnern, nicht wahr? ... Daniel?« Er machte einen Augenblick Pause.
Ich streichelte meinen rechten Unterarm und hatte das Gefühl, zeitlos dahinzuschweben.
»Sag mir doch,« fügte er hinzu, »welche Gefühle hast du für deine Mutter?«
»David«, sagte ich mit eiskalter Stimme. »Ich heiße David!«, schrie ich. »Ich glaube, sie ist krank, und Sie sind es auch! «
Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Du hasst deine Mutter, nicht wahr? Das ist vollkommen verständlich.
Sprich dich nur aus. Erzähl mir weiter. Irgendwo müssen wir ja anfangen, um uns durch diese Dinge hindurchzuarbeiten, durch diese Probleme, damit ... «
Ich konnte mich nicht mehr auf die Stimme des Arztes konzentrieren. Mein rechter Arm begann zu jucken. Ich
begann schon zu kratzen, ehe ich hinabsah. Doch als ich hinsah, sah ich, wie mein rechter Arm in Flammen stand. Ich sprang beinahe aus meinem Sitz auf, als ich den Arm schüttelte, um zu versuchen, das Feuer zu löschen. Ich ballte die Finger zur Faust, als ich die Flammen ausblies. »0 Gott, nein!«, schrie ich innerlich.
»Das kann doch nicht wahr sein! Bitte helfen Sie mir!
Bitte!« Ich versuchte zu schreien und den Psychiater um Hilfe zu bitten. Meine Lippen öffneten sich, aber es kam kein Ton heraus. Ich konnte spüren, wie die Seiten meines Gesichts tränenüberströmt waren, während 122
orangefarbene und blaue Flammen auf meinem Arm tanzten ...
»Ja! Ja! Weiter! «, schrie der Arzt. »Gut! Raus damit!
Prima, Daniel. Und jetzt sag mir, Daniel, wie fühlst du dich jetzt? Bist du ... aus der Fassung? Hast du das Gefühl, du könntest um dich schlagen? Möchtest du deine Aggressionen an jemandem oder an etwas abreagieren? «
Ich schaute auf meinen Arm. Das Feuer war fort.
Doch sosehr ich es auch versuchte, ich konnte mich nicht wieder unter Kontrolle bekommen. Ich zitterte am ganzen Körper. Ich hielt meinen Arm fest und pustete sanft, als wollte ich die Schmerzen lindern. Ich beugte mich nach vorn, um aufzustehen, wobei ich meinen rechten Arm immer noch umklammerte. Ich wischte mir das Gesicht ab, so gut es ging, bevor ich die Tür öffnete, um zu gehen.
Der Arzt sprang hinter seinem Schreibtisch auf. »In Ordnung! Du kannst heute etwas früher gehen. Wir haben heute Fortschritte gemacht. Aber lass dich davon nicht durcheinander bringen. Ich trage dich für nächste ... «
Wumm! Ich knallte die Tür mit aller Kraft zu.
Im Vorzimmer sprang die ältere Dame an der Rezeption von ihrem Stuhl hoch. Ich blieb einen Augenblick an ihrem Schreibtisch stehen. Die Frau sah so aus, als wollte sie mit mir schimpfen, bis sie mir schließlich lange ins Gesicht sah. Sie hielt mitten im Satz inne, wandte sich ab, und griff zum Telefon. Der nächste Patient sah sich ebenfalls nach mir um, als ich aus der Praxis marschierte.
Ohne es zu wollen, knallte ich auch die Tür von Lilians Auto zu. Vor Schreck warf sie das Taschenbuch, in 123
dem sie las, in die Luft. »David! Was ... ? Du kommst ja schon so früh. Alles in Ordnung?«
Ich klammerte die Hände zusammen. »Nein! Nein!
Nein!«, schrie ich laut. »Dieser Mann da«, sagte ich, mit dem Finger auf das Gebäude an der anderen Straßenseite zeigend, »ist krank. Er hat mir die schrecklichsten Fragen gestellt. Heute hat er mich gefragt, wie ich mich gefühlt habe, als ... «
»Aber David«, sagte sie mit fester Stimme, »dafür ist er doch da. Er ist Arzt. Und
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