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Middlesex

Middlesex

Titel: Middlesex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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Außentasche am einen Arm ragte ein Inhalationsgerät, dazu zwei, drei Pillenfläschchen. Desdemona steckte in einem fahlen weißen Nachthemd, die Bettdecke war bis zur Taille heraufgezogen, und auf ihrem Schoß lag einer ihrer türkischen Gräuelfächer. Nichts davon war überraschend. Was mich erschreckte, war, was Desdemona mit ihren Haaren gemacht hatte. Bei der Nachricht von Miltons Tod hatte sie ihr Haarnetz abgenommen und an den herabstürzenden Haarmassen gezerrt. Ihr Haar war vollkommen grau, aber noch immer sehr fein, und in dem Licht, das aus dem Fernseher drang, wirkte es nahezu blond. Die Haare fielen ihr über die Schultern und legten sich um ihren Körper wie bei der Venus von Botticelli. Das Gesicht jedoch, das von dieser erstaunlichen Kaskade eingerahmt war, gehörte nicht zu einer schönen jungen Frau, sondern zu einer alten Witwe, denn der Kopf war kantig, der Mund vertrocknet. In der stehenden Luft des Zimmers und dem Geruch nach Arzneien und Hautsalben spürte ich das Gewicht der langen Zeit, die Desdemona, auf den Tod hoffend, in diesem Bett verbracht hatte. Ich weiß nicht recht, ob man mit einer Großmutter wie der meinen jemals ein echter Amerikaner werden kann, zumindest nicht in dem Sinne, dass man glaubt, das Leben drehe sich um das Streben nach Glück. Die Lektion von Desdemonas Leiden und Lebensmüdigkeit zeigte, dass das Alter die mannigfachen Vergnügungen der Jugend nicht etwa fortsetzte, sondern eine lange Prüfung war, die das Leben nach und nach selbst der kleinsten, schlichtesten Freuden beraubte. Jeder kämpft gegen die Verzweiflung an, aber am Ende siegt sie eben doch. Das muss so sein. Es ist das, was uns Abschied nehmen lässt.
    Als ich so dastand und meine Großmutter betrachtete, wandte Desdemona unvermittelt den Kopf zu mir her und nahm mich wahr. Sie fuhr sich mit der Hand an die Brust. Voller Furcht warf sie sich in die Kissen zurück und schrie: »Lefty!«
    Davon war wiederum ich schockiert. »Nein, jiajia. Ich bin nicht papou. Ich bin's. Cal.«
    »Wer?«
    »Cal.« Ich machte eine Pause. »Dein Enkel.«
    Das war natürlich unfair. Desdemonas Gedächtnis hatte deutlich nachgelassen. Und ich kam ihr nicht zu Hilfe.
    »Cal?«
    »Früher, als ich klein war, haben mich alle Calliope genannt.«
    »Du siehst aus wie mein Lefty«, sagte sie.
    »Tatsächlich?«
    »Ich hab gedacht, du bist meine Mann und kommst mich in Himmel holen.« Zum ersten Mal lachte sie.
    »Ich bin das Kind von Milt und Tessie.«
    So schnell die gute Laune gekommen war, wich sie auch wieder aus Desdemonas Gesicht, und nun sah sie traurig und kleinlaut aus. »Es tut mir Leid. Ich mich nicht erinnere an dich, Schätzchen.«
    »Ich hab dir was mitgebracht.« Ich hielt ihr das Bittersalz und das Baklava hin.
    »Warum nicht kommt Tessie?«
    »Sie muss sich umziehen.«
    »Für was umziehen?«
    »Für das Begräbnis.«
    Desdemona schrie auf und fasste sich erneut an die Brust.
    »Wer ist gestorben?«
    Ich gab keine Antwort. Stattdessen stellte ich den Fernseher leiser. Dann zeigte ich auf den Vogelkäfig und sagte: »Ich weiß noch, wie du mal an die zwanzig Vögel hattest.«
    Sie sah zu dem Käfig hin, sagte aber nichts.
    »Du hast in der Mansarde gewohnt. In der Seminole Street. Weißt du noch? Da hast du all die vielen Vögel bekommen. Du hast gesagt, sie erinnern dich an Bursa.«
    Beim Klang dieses Namens lächelte Desdemona wieder. »In Bursa wir haben alle mögliche Vögel. Grüne, gelbe, rote. Alle mögliche. Kleine Vögel, aber sehr schöne. Wie aus Glas.«
    »Da möchte ich mal hin. Weißt du noch, die Kirche dort? Irgendwann möchte ich da hin und sie reparieren.«
    »Das macht schon Milton. Immerzu sag ich ihm.«
    »Wenn er's nicht macht, mach ich's.«
    Desdemona musterte mich einen Augenblick, als wollte sie abschätzen, ob ich dieses Versprechen auch halten könnte. Dann sagte sie: »Ich mich nicht erinnere an dich, Schätzchen, aber kannst du bitte für jiajia die Bittersalz richten?«
    Ich nahm das Fußbecken, ging damit zur Badewanne und füllte es mit warmem Wasser. Nun schüttete ich etwas von dem Salz hinein und trug das Becken zurück ins Schlafzimmer.
    »Stell neben die Stuhl, Püppchen-mow.« Ich tat es.
    »Und nun hilf jiajia aus Bett.«
    Ich trat heran und beugte mich zu ihr. Ich zog ihre Beine nacheinander unter der Decke hervor und richtete Desdemona auf. Indem ich mir ihren Arm über die Schulter legte, zog ich sie für den kurzen Gang zum Stuhl auf die Füße.
    »Ich nichts mehr kann

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