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Middlesex

Middlesex

Titel: Middlesex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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werden. Der Fahrersitz war vom Gewicht seines Körpers eingedrückt. In der Lederpolsterung ließ sich der Abdruck von Miltons Gesäßbacken erkennen. Tessie füllte diese Höhlung mit Kissen auf, um übers Lenkrad blicken zu können. Pleitegeier hatte die Kissen auf den Rücksitz geworfen.
    In dem für die Jahreszeit unpassenden Wagen machten wir uns, die kräftig blasende Klimaanlage ausgeschaltet und das Sonnendach geschlossen, auf die Heimfahrt. Wir kamen an dem riesigen Uniroyalreifen und dem spärlichen Wald in Inkster vorbei.
    »Um wie viel Uhr ist die Beerdigung?«, fragte ich.
    »Elf.«
    Es wurde gerade hell. Die Sonne ging auf, wo auch immer sie aufging, vielleicht hinter den fernen Fabriken oder über dem matten Fluss. Das stärker werdende Licht war wie eine hereinströmende Flut, die in der Erde versickerte.
    »Fahr durchs Zentrum«, sagte ich zu meinem Bruder.
    »Das dauert zu lange.«
    »Wir haben doch Zeit. Ich möchte es sehen.«
    Pleitegeier tat mir den Gefallen. Wir fuhren auf der 1-94, vorbei an River Rouge und dem Olympiastadion, bogen dann Richtung Fluss auf den Lodge Freeway ab und gelangten von Norden her in die Innenstadt.
    Ist man in Detroit aufgewachsen, versteht man den Lauf aller Dinge. Schon früh wird man in ein enges Verhältnis zur Entropie gesetzt. Als wir aus dem Trog des Highways auftauchten, sahen wir die zum Abriss freigegebenen Häuser, viele ausgebrannt, sowie die harsche Schönheit der verödeten Grundstücke, grau und gefroren. Einstmals elegante Wohnhäuser standen neben Schrottplätzen, und wo es einmal Kürschner und Kinos gegeben hatte, waren nun Blutbanken und Methadonkliniken und eine Mother-Waddles-Missions- station. Die Rückkehr nach Detroit aus lichteren Breiten hatte mich immer bedrückt. Nun aber hieß ich sie willkommen. Die Verwahrlosung linderte den Schmerz über den Tod meines Vaters, ließ ihn als etwas Selbstverständliches erscheinen. Wenigstens verhöhnte die Stadt nicht meinen Kummer, indem sie funkelnd oder einladend war.
    Das Zentrum sah aus wie immer, nur leerer. Die Wolkenkratzer konnte man nicht abreißen, wenn die Mieter ausgezogen waren; stattdessen kamen Bretter vor Fenster und Türen, und man mottete die großen Handelsruinen ein. Am Fluss wurde das Renaissance Center hochgezogen, eine Renaissance einleitend, die nie stattgefunden hat. »Fahren wir durch Greektown«, sagte ich. Wieder ließ mir mein Bruder meinen Willen. Bald kamen wir zu der Straße mit den Restaurants und Souvenirgeschäften. Zwischen dem Ethnokitsch gab es noch immer ein paar authentische Kaffeehäuser, die von Stammgästen besucht wurden, siebzig-, achtzigjährigen Männern. Einige waren an diesem Morgen bereits da, tranken Kaffee, spielten Backgammon und lasen die griechischen Zeitungen. Wenn diese alten Männer starben, würden das die Kaffeehäuser spüren, und irgendwann würden sie schließen. Nach und nach würden es auch die Restaurants in der Straße spüren, ihre Markisen rissig werden, die großen gelben Glühbirnen am Plakat des Laikon ausbrennen, und die griechische Bäckerei an der Ecke würde von Südjemeniten aus Dearborn übernommen. Aber das alles war noch nicht geschehen. In der Monroe Street fuhren wir am Grecian Gardens vorbei, wo wir Leftys makaria abgehalten hatten.
    »Machen wir für Dad eine makaria?.«, fragte ich.
    »Ja. Das ganze Programm.«
    »Wo? Im Grecian Gardens?«
    Pleitegeier lachte. »Soll das ein Witz sein? Hier will doch keiner mehr herkommen.«
    »Mir gefällt's hier«, sagte ich. »Ich liebe Detroit.«
    »Ach ja? Na, dann herzlich willkommen.«
    Er war wieder auf die Jefferson Avenue eingebogen, nun ging es viele Kilometer durch die verwüstete East Side. Ein Perückenladen. Vanity Dancing, der alte Club, nun zu vermieten. Ein Secondhand-Plattenladen mit einem selbst gemalten Schild, auf dem Leute inmitten einer Explosion von Noten schwoften. Die alten Billigkaufhäuser und Süßwaren läden waren geschlossen, Kresge's, Woolworth's, Sanders Ice Cream. Es war kalt. Nur wenige Menschen waren unterwegs. An einer Ecke stand ungerührt ein Mann, er machte sich gut vor dem Winterhimmel. Sein Ledermantel reichte ihm bis zu den Knöcheln. Eine Space-Funk-Brille umfasste seinen erhabenen, zum Kinn hin länglich auslaufenden Kopf, auf dem die spanische Galeone eines kastanienbraunen Samthuts saß oder vielmehr segelte. Diese Gestalt war nicht Teil meiner Vorstadtwelt und daher exotisch. Dennoch war sie vertraut und ein Zeichen der besonderen

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