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Middlesex

Middlesex

Titel: Middlesex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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Lieblingsskulptur ein, Der Denker, von der auf dem Telefontischchen an der gegenüberliegenden Wand eine Miniaturausführung stand. Obwohl das Thema in der freimütigen Verdauungsatmosphäre jener Sonntage aufgekommen war, gab es keinen Zweifel daran, dass das Sperma, über das geredet wurde, ungeachtet des unpersönlichen Tons der Diskussion dasjenige meines Vaters war. Onkel Pete stellte klar: Um ein Mädchen zu bekommen, solle ein Paar »vierundzwanzig Stunden vor dem Eisprung geschlechtlich verkehren«. Die schnellen männlichen Spermien würden losflitzen und absterben. Die weiblichen dagegen, die lahmer, aber verlässlicher seien, würden genau dann eintreffen, wenn das Ei springe.
    Mein Vater hatte Mühe, meine Mutter zu überreden, es nach dieser Methode zu versuchen. Tessie Zizmo war noch Jungfrau, als sie mit zweiundzwanzig Jahren Milton Stephanides geheiratet hatte. Ihre Verlobung, die mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zusammenfiel, war eine keusche Angelegenheit gewesen. Meine Mutter machte es stolz, wie sie es geschafft hatte, das Feuer meines Vaters gleichzeitig zu entfachen und zu ersticken, wodurch sie ihn für die Dauer eines Weltenbrandes auf kleiner Flamme hielt. Das stellte allerdings keine allzu große Schwierigkeit dar, da sie in Detroit und Milton in Annapolis an der amerikanischen Marineakademie war. Über ein Jahr lang entzündete Tessie in der griechischen Kirche Kerzen für ihren Verlobten, während Milton ihre Fotos betrachtete, die er über seiner Koje angepinnt hatte. Er fotografierte sie am liebsten nach Art der Filmzeitschriften, von der Seite, einen Stöckel auf einer Stufe, sodass eine große Fläche schwarzer Strumpf zu sehen war. Meine Mutter sieht auf diesen alten Schnappschüssen verblüffend geschmeidig aus, als hätte sie nichts lieber gehabt, als auf Geheiß ihres uniformierten Verlobten vor den Veranden und Lampenmasten des bescheidenen Viertels zu posieren.
    Ihre Kapitulation erfolgte erst nach der Japans. Dann, von der Hochzeitsnacht an (soweit es stimmte, was mein Bruder meinen zugehaltenen Ohren erzählte), schliefen meine Eltern regelmäßig und gern miteinander. Als es ans Kinderkriegen ging, hatte meine Mutter jedoch ihre eigenen Vorstellungen. Sie glaubte fest daran, dass ein Embryo das Ausmaß der Liebe spürte, mit der er erschaffen worden war. Aus diesem Grund kam der Vorschlag meines Vaters bei ihr nicht besonders gut an.
    »Was glaubst du denn, was das ist, Milt, die Olympiade?«
    »Ich meine doch bloß theoretisch«, sagte mein Vater.
    »Was weiß Onkel Pete schon vom Kinderkriegen?«
    »Er hat so einen Artikel im Scientific American gelesen«, sagte Milton. Und um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen:
    »Die Zeitschrift hat er abonniert.«
    »Also, wenn mein Rücken im Eimer ist, dann würde ich zu Onkel Pete gehen. Oder wenn ich Plattfüße hätte wie du. Aber sonst nicht.«
    »Das ist aber alles bewiesen. Unterm Mikroskop. Die männlichen Spermien sind schneller.«
    »Bestimmt auch dümmer.«
    »Nur zu. Lästere über die männlichen Spermien, so viel du willst. Jederzeit. Wir brauchen kein männliches Sperma. Wir brauchen ein gutes altes, langsames, verlässliches weibliches Sperma.«
    »Und selbst wenn es wahr wäre, ist es trotzdem lächerlich. Ich kann das nicht wie ein Uhrwerk, Milt.«
    »Für mich war's schwieriger als für dich.«
    »Ich will nichts davon hören.«
    »Ich dachte, du willst eine Tochter.«
    »Will ich auch.«
    »Na bitte«, sagte mein Vater. »Und so kriegen wir eine.« Tessie tat diesen Vorschlag mit einem Lachen ab. Doch hinter ihrem Sarkasmus steckte ein ernster moralischer Vorbehalt. Die Einmischung in etwas derart Mysteriöses und Wunderbares wie die Geburt eines Kindes war ein Akt der Hybris. Ohnehin glaubte Tessie gar nicht, dass das ging. Und selbst wenn es ging, so fand sie, dass man es nicht versuchen sollte.
    Natürlich kann sich ein Erzähler in meiner Position (zu jener Zeit noch präfetal) all dessen nicht ganz sicher sein. Den wissenschaftlichen Wahn, der meinen Vater in jenem Frühjahr '59 überfiel, kann ich nur als ein Symptom des Fortschrittsglaubens erklären, der damals jeden infizierte. Wir erinnern uns, erst zwei Jahre zuvor war der Sputnik ins All geschossen worden. Die Kinderlähmung, derentwegen man meine Eltern in den Sommern ihrer Kindheit zu Hause unter Quarantäne gestellt hatte, war mit dem Salk-Impfstoff besiegt worden. Noch hatten die Leute keine Ahnung gehabt, dass Viren schlauer sind als Menschen,

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