Midkemia Saga 01 - Der Lehrling des Magiers
schützen sollten. Eine zerlumpte Menge von Stadtbewohnern folgte ihnen. Viele schleppten Bündel oder zerrten Karren hinter sich her. Sie folgten den Söhnen des Herzogs zu den wartenden Schiffen.
Dann wanderten sie die Straße entlang, die von der Stadtstraße abzweigte, und Aruthas Blick flog über die Zeichen der Zerstörung. Die einstmals blühende Stadt Crydee war jetzt in beißenden, blauen Dunst gehüllt. Hämmern und Sägen klang durch die Morgenluft, da die Arbeiter sich bemühten, den Schaden so gut sie konnten zu reparieren.
Die Tsurani hatten zwei Tage zuvor bei Sonnenuntergang angegriffen. Sie waren durch die Stadt gerast, hatten die wenigen Wachtposten überrannt, ehe die entsetzten Frauen, alten Männer und Kinder Alarm schlagen konnten. Die Fremden waren Amok durch die Stadt gelaufen. Sie waren erst stehengeblieben, als sie den Hafen erreichten, wo sie drei Schiffe befeuert hatten. Zwei von ihnen waren schwer beschädigt. Diese Schiffe befanden sich jetzt schon auf ihrem langsamen Zug gen Carse, während die unbeschädigten im Hafen sich zu ihrem jetzigen Aufenthaltsort begeben hatten, nördlich von Seglers Gram.
Die Tsuranis hatten die meisten Gebäude in der Nähe des Kais in Flammen gesetzt. Aber obwohl sie stark mitgenommen waren, ließen sie sich noch reparieren. Das Feuer hatte sich ausgedehnt und sich ins Herz der Stadt hineingefressen und dort die schwersten Verluste herbeigeführt. Ein ganzes Drittel von Crydee hatte gebrannt, ehe das Feuer unter Kontrolle gebracht werden konnte.
Arutha kochte noch immer bei der Erinnerung. Fannon hatte Lyam geraten, die Soldaten der Garnison nicht vor Sonnenaufgang hinauszulassen, und Lyam hatte sich der Bitte des alten Schwertmeisters gebeugt. Arutha war sicher, er hätte einen Großteil des Schadens verhindern können, wenn man ihm gestattet hätte, die Tsuranis sofort zu bekämpfen.
Als er jetzt die Küstenstraße entlangritt, war Arutha in Gedanken verloren.
Aus Gründen, die er nicht verstand, hatte Herzog Borric nicht Arutha das Kommando übergeben, wie der es erwartet hatte, als er Lyam zu sich ins Lager gerufen hatte. Statt dessen hatte er den Schwertmeister zum Kommandeur der Garnison berufen. Aber wenigstens wird Fannon mich nicht mehr so herumkommandieren, dachte der jüngere Prinz jetzt, wenn Lyam ihn nicht unterstützt. Er schüttelte leicht den Kopf, um seinen Zorn abzulegen. Er liebte seinen Bruder, wünschte sich aber, Lyam wäre bereit gewesen, ihn mehr zu unterstützen. Seit Beginn des Krieges hatte Lyam in Crydee das Kommando gehabt, hatte aber keinen eigenen Willen gezeigt, sondern Fannon alle Entscheidungen treffen lassen. Jetzt hatte Fannon nicht mehr nur den Einfluß, sondern auch den Titel.
»So nachdenklich, Bruder?«
Lyam hatte sein eigenes Pferd gezügelt und ritt jetzt neben Arutha her, der den Kopf schüttelte und leicht lächelte. »Bloß neidisch auf dich.«
Lyam lächelte seinem jüngeren Bruder herzlich zu. »Ich weiß, du würdest gern ausziehen, aber Vaters Anordnungen waren ganz klar. Du wirst hier benötigt.«
»Wie kann man mich benötigen, wenn jeder Vorschlag, den ich mache, ignoriert wird?«
Verständnisvoll sah Lyam ihn an. »Du bist immer noch verärgert, weil Vater Fannon zum Kommandeur der Garnison ernannt hat.«
Arutha musterte seinen Bruder. »Ich bin jetzt so alt wie du es warst, als Vater dich zum Kommandeur in Crydee gemacht hat. In meinem Alter war Vater bereits Kommandeur und zweiter Generalritter im Westen, und vier Jahre später schon Gouverneur des Königs. Großvater hat ihm so viel Vertrauen entgegengebracht, daß er ihm das Kommando übertrug.«
»Vater ist nicht Großvater. Vergiß nicht, Großvater wuchs in einer Zeit auf, als wir in Crydee noch Krieg hatten und versuchten, neu erobertem Land den Frieden zu bringen. Er ist im Krieg auf gewachsen. Vater nicht. Die Zeiten ändern sich.«
»Und wie sie sich ändern, Bruder«, bemerkte Arutha trocken. »Großvater, genau wie sein Vater vor ihm, hätte nie hinter sicheren Mauern gehockt. In den zwei Jahren, seit der Krieg begann, haben wir keine Großoffensive gegen die Tsuranis geführt. Wir können sie nicht weiterhin den Verlauf dieses Krieges bestimmen lassen, sonst werden sie ganz gewiß die Oberhand gewinnen.«
Als Lyam seinen Bruder betrachtete, spiegelte sich Sorge in seinen Augen.
»Arutha, ich weiß, du kannst es kaum erwarten, den Feind zugrunde zu richten.
Aber Fannon hat recht, wenn er sagt, daß wir die Garnison nicht aufs
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