Midkemia Saga 01 - Der Lehrling des Magiers
leises Räuspern ließ Carline herumfahren. Lady Glynis, seit vier Jahren die Gesellschafterin der Prinzessin, lächelte leicht und deutete mit einem Kopfnicken auf den Neuankömmling, der in der Tür erschienen war, die zu den Treppen führte.
Roland wartete. In den vergangenen beiden Jahren war er gewachsen und jetzt war er ebenso groß wie Arutha. Er war immer noch dünn, aber seine jungenhaften Züge verwandelten sich langsam zu denen eines Mannes.
Er verbeugte sich. »Hoheit.«
Carline erwiderte seinen Gruß und bedeutete Lady Glynis, sie möge sie allein lassen. Glynis eilte zur Treppe.
Leise sagte Carline: »Du bist nicht mit Lyam zum Strand geritten?«
»Nein, Hoheit.«
»Hast du mit ihm gesprochen, ehe er ging?«
Rolands Blick wanderte zum fernen Horizont. »Ja, Hoheit, wenngleich ich gestehen muß, daß ich ob seines Fortziehens schlecht gelaunt bin.«
Carline nickte verständnisvoll. »Weil du hierbleiben mußt.«
Er antwortete voll Bitterkeit. »Ja, Hoheit.«
Sanft fragte Carline: »Warum so formell, Roland?«
Er betrachtete die Prinzessin. Am letzten Mittsommertag war sie siebzehn Jahre alt geworden. Sie war kein kleines, trotziges Mädchen mehr, das Wutausbrüchen unterworfen war, sondern verwandelte sich in eine schöne junge Frau mit nachdenklichem Gemüt. Nur wenige im Schloß wußten nicht von den vielen Nächten, in denen die Prinzessin in ihrem Gemach geschluchzt hatte, nachdem die Neuigkeiten von Pug die Burg erreicht hatten. Nach fast einer Woche, die sie in Einsamkeit verbracht hatte, war Carline daraus als neuer Mensch hervorgegangen. Sie war bescheidener geworden, weniger willensstark. Nach außen hin verriet sie nicht, wie sie sich fühlte, aber Roland wußte, daß sie eine tiefe Wunde davongetragen hatte. Nach kurzem Schweigen sagte er jetzt: »Hoheit, wenn…« Er stockte. »Es ist nicht wichtig.«
Carline legte eine Hand auf seinen Arm. »Roland, was auch geschehen ist, wir sind immer gute Freunde gewesen.«
»Es stimmt mich froh zu glauben, daß das wahr ist.«
»Dann sag mir, warum diese Mauer zwischen uns entstanden ist?«
Roland seufzte. »Wenn das so ist. Carline, dann ist das nicht meine Schuld.«
Ein Funken des früheren Selbst des Mädchens regte sich. Temperamentvoll erwiderte sie: »Dann bin also ich für diese Entfremdung zwischen uns verantwortlich?«
Wut zeigte sich in Rolands Stimme. »Ja, Carline!« Er fuhr sich mit der Hand durch sein lockiges, braunes Haar. »Erinnerst du dich noch an den Tag, als ich mit Pug gekämpft habe? Es war der Tag, ehe er abreiste.«
Als er Pugs Namen erwähnte, erstarrte sie. Steif erwiderte sie: »Ja, ich erinnere mich.«
»Nun, das war albern damals, dieser Kampf unter Jungen. Ich habe ihm gesagt, wenn er dir jemals Kummer zufügen würde, würde ich ihn umbringen. Hat er dir das erzählt?«
Ungewollt traten ihr Tränen in die Augen. Leise antwortete sie: »Nein, das hat er niemals erwähnt.«
Roland schaute in das schöne Gesicht, das er seit Jahren liebte. »Damals kannte ich meinen Rivalen wenigstens.« Er senkte die Stimme und der Zorn wich daraus. »Ich denke gern daran, daß wir, er und ich, damals am Ende Freunde waren. Trotzdem schwor ich, niemals aufzuhören, um dich zu kämpfen.«
Schaudernd legte Carline ihren Umhang um, obwohl der Tag nicht so kalt war. Widerstreitende Gefühle erfüllten sie. Zitternd fragte sie: »Warum hast du aufgehört, Roland?«
Plötzlich brach die Wut aus ihm’ hervor. Zum ersten Mal verlor er vor der Prinzessin seine Maske aus Witz und guten Manieren. »Weil ich nicht mit einer Erinnerung kämpfen kann, Carline.« Sie riß die Augen weit auf und Tränen liefen ihr über die Wangen. »Einem anderen Mann aus Fleisch und Blut kann ich gegenübertreten, aber mit diesem Schatten aus der Vergangenheit werde ich nicht fertig.« Er wurde immer zorniger. »Er ist tot. Carline. Pug ist tot. Solange du nicht zugibst, daß das wahr ist, lebst du mit einer falschen Hoffnung.«
Sie legte die Hand mit der Handfläche nach außen vor den Mund. Aus ihren Augen, die ihn anstarrten, sprach wortloses Leugnen. Abrupt wandte sie sich ab und eilte die Stufen hinab.
Allein geblieben, stützte Roland die Ellbogen auf die kalten Steine der Turmmauer. Er legte den Kopf in die Hände und fluchte: »Oh, welch ein Narr bin ich geworden!«
»Patrouille!« rief der Wachtposten von der Mauer des Schlosses. Arutha und Roland wandten sich um. Sie hatten Soldaten zugesehen, die den Freiwilligen aus den
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