Midkemia Saga 05 - Gefährten des Blutes
Worte fast aus, als sie sagte: »Jener hier!« Sie zeigte auf Erland und meinte: »Er ist der Erbe des Thrones der Inseln! Er ist ein Mitglied des Königshauses!« Ihre Stimme klang mächtig, befehlend, und ihr Gesicht wurde vor Zorn rot. Sie kreischte fast, als sie den Mann anschrie: »Ihr werdet ihn so ansprechen, wie Ihr meinen Onkel ansprechen würdet, denn er ist von gleichem Range wie Awari! Und das ist ein Befehl!«
Erland war gleichermaßen überrascht darüber, wie wütend die Prinzessin auf die Beleidigung reagierte und wie heftig sie ihre Wut zum Ausdruck brachte. Er erwartete halb, sie würde von dem Mann eine Selbsterniedrigung verlangen, doch sie machte nur ein Zeichen, daß die Gruppe losgehen sollte. Erland bemerkte, wie der Offizier blaß geworden war und zu schwitzen begonnen hatte, und er beneidete ihn nicht um seine Lage. Doch als sie um die nächste Ecke bogen, klang Sharanas Stimme bereits wieder so süß wie Honig. Sie sagte: »Ich nehme an, es hat etwas mit diesem unglücklichen Aufmarsch der Armee Eures Vaters zu tun. Ich bezweifle, daß es sich um etwas wirklich Gefährliches handelt. In der Oberstadt wohl kaum.«
Erland versuchte, das nette und lächelnde Mädchen, das neben ihm ging, mit dem schreienden, das einige Augenblicke zuvor einen Offizier niedergebrüllt hatte, in Einklang zu bringen, doch es gelang ihm nicht.
Sie betraten den Flügel des Palastes, in dem sich der Hof des Lichtes befand, der offizielle Saal für die Regierungsgeschäfte.
Erland war hier vorher noch nie gewesen, nicht einmal, als er vor die Kaiserin befohlen worden war. Bis jetzt war er der Kaiserin immer in ihrem Audienzsaal entgegengetreten.
Doch nun betraten sie den Sitz der Regierung von Kesh, den Ort, wo niemals Dunkelheit herrschte, denn der Saal war mit tausend Kronleuchtern ausgestattet, und auf jedem von ihnen brannten große Kerzen. Der Raum wurde förmlich in Licht gebadet. So taghell, wie es hier war, gab es doch fast keine Schatten, denn während das Sonnenlicht immer nur aus einer Richtung kam, strahlten hier zwanzigtausend verschiedene Lichtquellen. Selbst während der Zeit, in der die Hofgeschäfte vonstatten gingen, waren Gruppen von Arbeitern damit beschäftigt, die Kronleuchter herunterzulassen und tropfende, heruntergebrannte Kerzen auszuwechseln, damit die Dunkelheit niemals Einzug in den Hof des Lichtes halten konnte.
Die versammelten Hofbeamten und Offiziere der Inneren Legion hatten in ihrer Mitte einen Gang frei gelassen. Ganz vorn in der Menge stand der Generalstabsoffizier von Abar Bukars Hundesoldaten. Und auf einem mit Gold belegten Thron saß die Kaiserin auf Kissen, deren Stoff mit Goldfäden durchwirkt war. Um sie herum saßen auf Rängen, die sich Reihe um Reihe im Halbkreis nach oben erhoben, die versammelten Herrscher von Kesh in ihrer Galerie der Herren und Meister. Und während sich Erland dem Thron näherte, betraten immer noch weitere den Saal und eilten zu ihren Plätzen.
Im Saal summte es von den vielen leisen Gesprächen, die geführt wurden, und man brauchte kein Seher zu sein, um die Beunruhigung unter den Menschen zu spüren. Etwas Schreckliches mußte geschehen sein, und der Raum hallte von Vermutungen wider.
Als Sharana und Erland das Podest erreicht hatten, stieß der Zeremonienmeister der Kaiserin seinen eisenbeschlagenen Stab auf den Boden. Der Falke, der die Spitze des Stabes schmückte, schien sich von der Sonnenscheibe lösen zu wollen, die er mit den Klauen umfaßte.
»Habet acht, ihr alle! Sie ist gekommen! Sie ist gekommen! Sie, Die Kesh Ist, sitzt nun zu Gericht!«
Augenblicklich machte sich Schweigen im Saal breit. Die Kaiserin gab Sharana ein Zeichen, sie solle die zwölf Stufen des Podestes heraufsteigen, und das Mädchen tat das mit einem unumwunden unsicheren Ausdruck im Gesicht. Das hatte es noch nie gegeben, denn nach der Tradition des Reiches durfte außer dem Zeremonienmeister der Kaiserin niemand das Podest des Herrschers betreten, und er mußte immer eine Stufe unter dem Thron warten, wenn er Ihr, Die Kesh Ist, irgendwelche Dokumente überbrachte, die sie begutachten sollte. Nun zögerte auch Sharana auf der letzten Stufe, doch ihre Großmutter nickte ihr zu, sie solle ganz heraufkommen. Als das Mädchen seine Großmutter erreicht hatte, fiel es auf die Knie. Lakeisha, Kaiserin von Groß-Kesh, nahm ihre Enkelin in die Arme und begann zu weinen. Im ganzen Saal machte sich bei diesem Anblick Schweigen breit, da niemand der Anwesenden jemals
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