Midkemia Saga 05 - Gefährten des Blutes
dich auch immer nennen soll, du kannst mich, wenn das alles vorbei ist, daran erinnern, daß ich dir noch einmal ordentlich eine verpasse.«
»Wenn wir aus diesem Schlamassel herauskommen, würde ich dabei vielleicht sogar stillhalten.« An Miya gewandt, sagte er: »Mein Vater ist vielerlei, aber er ist nicht dumm. Er würde das Kaiserreich mit so großer Wahrscheinlichkeit angreifen, wie ich mich mit einem Amboß in Treibsand wagen würde.«
Ghuda sagte: »So wie ich dich kennengelernt habe, würdest du das glatt machen.«
Borric sagte: »Sie lügt. Und wir müssen zu meinem Bruder.« An Miya gewandt, sagte er: »Du wirst uns zu ihm führen.«
»Nein.«
Borric machte einen Schritt nach vorn und setzte der Frau das Schwert an die Kehle. Als Miya nicht mit der Wimper zuckte, meinte er: »So, du hast also keine Angst vorm Sterben?«
»Du bist kein Mörder«, spuckte Miya aus.
Rauhe Hände zogen Borric zur Seite. Ghuda sagte: »Er vielleicht nicht, Hure.« Seine riesigen Hände ergriffen die Frau an den Schultern, und er zerrte sie zu sich hin. Dem Ausdruck des Unbehagens auf Miyas Gesicht nach konnte sich Borric vorstellen, daß er nicht gerade sanft mit ihr umging. Ghuda zog ihr Gesicht bis dicht vor sein eigenes und zischte: »Aber ich bin da nicht ganz so zimperlich. Ich habe für Reinblütige und solche Leute ganz und gar nichts übrig. Ich hätte lieber eine Schlange bei mir zu Hause als so eine wie dich. Du könntest in Flammen stehen, und ich würde nicht mal die Straßenseite wechseln, um auf dich zu pissen. Hör mal, ich bring dich ganz langsam und unter vielen Qualen um, Mädchen, wenn du uns nicht sagst, was wir wissen müssen. Und ich mach das so, daß du dabei nicht mal schreien kannst.«
Die mit ruhiger Stimme ausgesprochene Drohung des Söldners mußte sie überzeugt haben, denn Miya sagte, wobei sie kaum richtig sprechen konnte: »Ich führe Euch hin.«
Ghuda ließ sie los, und Borric sah, wie Tränen der Angst über die Wangen des Mädchens kullerten. Er steckte sein Rapier weg und zog den Dolch aus dem Gürtel. Dann zeigte er ihr die kurze Klinge und gab ihr einen Schubs auf die Tür zu. »Denk dran, vielleicht kannst du weglaufen. Aber ich kann meinen Dolch schneller werfen, als du rennen kannst.«
Miya machte die Tür auf, und sie folgten ihr. Wahrend sie gingen, sagte Ghuda: »Was hat dich auf ihre Schauspielkünste gebracht?«
»Mein sechster Sinn für Ärger.«
»Ich habe die ganze Zeit geglaubt, so etwas hättest du überhaupt nicht«, sagte der Söldner. »Na, glücklicherweise hat sich dein sechster Sinn noch rechtzeitig gemeldet.«
»Finde ich auch.«
»Aber dir muß doch irgend etwas aufgefallen sein«, sagte Ghuda.
»Was hat dich an ihr gestört?«
»Sie ging in dieselbe Richtung wie die beiden Männer, und einer von den beiden hat mich rechtzeitig gewarnt.«
»Wie hat er denn das gemacht?«
»Er hat mich gejagt, seit wir Krondor verlassen haben. Und er war einer der wenigen Menschen in Kesh, die mich sofort erkennen würden.«
»Wer ist er denn?« fragte Ghuda, während sie um eine Ecke bogen und in einen besser beleuchteten Gang kamen.
Vor sich konnten sie zwei Wachposten sehen, die vor einer Tür standen, und Borric trat einen Schritt näher an das Mädchen heran, falls es sich entscheiden sollte, davonzurennen oder um Hilfe zu rufen. Zu dem Söldner sagte er: »Der Mann war Lord Toren Sie, Keshs Botschafter am Hofe meines Vaters.«
Der Söldner schüttelte den Kopf. »Er ist von kaiserlichem Blut. Einige sehr wichtige Leute möchten dich wohl gern tot sehen, Verrückter.«
»Und andere sehr wichtige Leute möchten die Wahrheit erfahren«, erwiderte Borric. »Und das hält uns alle noch ein bißchen am Leben.«
»Götter, hoffentlich hast du recht«, sagte der Söldner. Miya führte sie an einer Reihe von Wachen, die vor Türen standen, vorbei durch den Palast. Ob es ihnen seltsam vorkam, daß eine Angehörige des kaiserlichen Haushalts drei eigentümlich gekleidete Männer begleitete, ließ sich an ihren Gesichtern nicht erkennen. Miya bog in einen langen Gang ein, und sie kamen an einem halben Dutzend unbewachter Türen vorbei.
Am Ende des Ganges steuerte Miya auf eine große, geschlossene Tür zu und sagte zu Borric: »Hier ist Euer Bruder drin.«
Borric gab ihr einen Schubs. »Öffne sie und geh zuerst hinein.«
Die Frau legte die Hand auf die Klinke, drückte sie hinunter und schob die Tür auf. Sie trat ein und machte die Tür für Borric noch weiter auf.
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