Midkemia Saga 05 - Gefährten des Blutes
mit einer lebensgroßen Statue, einer, die wahrscheinlich aus Queg eingeführt worden und aus Marmor oder einem ähnlichen Stein gehauen war.
Der Junge legte die Hand auf den steinernen Kopf und ließ sich hinab in den Raum. Er sah sich um und stellte befriedigt fest, daß es offensichtlich ein Lagerraum war. In einer Ecke, unter einigen Stoffetzen, fand er ein stumpfes Küchenmesser. Eine schlechte Waffe war besser als gar keine, dachte er sich und steckte das Messer in sein Gewand.
Er bewegte sich so leise wie nur möglich und untersuchte die einzige Tür des Zimmers. Er versuchte, sie aufzumachen – sie war nicht verschlossen. Langsam zog er sie auf und spähte durch einen winzigen Spalt in einen dunklen, leeren Korridor.
Er schlich in den Korridor und ging langsam weiter, bis der Gang auf einen weiteren stieß, der ebenfalls im Dunkeln lag. Nachdem er eine Weile gelauscht hatte, war sich Suli sicher, in diesem Teil des großen Palastes hielt sich niemand sonst auf. Er huschte weiter und warf wahllos hier und da einen Blick in die Zimmer, doch alle waren verlassen. Viel waren leer, und in einigen waren die Möbel mit Leinentüchern abgedeckt.
Der Junge kratzte sich am Arm und sah sich um. Nichts von allem schien einen Diebstahl wert zu sein, also entschloß er sich, auf den Dachboden zurückzukehren; vielleicht würde er jetzt etwas Ruhe finden.
Dann bemerkte er am anderen Ende des Gangs, den er gerade verlassen wollte, unter einer Tür einen schmalen Streifen Licht. Im selben Augenblick wurde die Stille durch eine entfernte, ärgerlich klingende Stimme unterbrochen.
Vorsicht und Neugier rangen miteinander. Die Neugier gewann.
Der Junge stahl sich den Korridor entlang und suchte die Tür, durch die die gedämpfte Stimme auf den Gang drang. Er legte sein Ohr an das Holz und konnte einen Mann schreien hören »… Dummköpfe! Wenn wir das rechtzeitig gewußt hätten, dann wären wir jetzt vorbereitet.«
Eine zweite, ruhigere Stimme antwortete: »Es war Pech. Niemand hat geahnt, was dieser Idiot Reese meinte, als er uns die Nachricht von Lafe brachte, daß wir eine fürstliche, reiche Karawane mit wenigen Wachen überfallen sollten.«
»Nicht ›fürstlich‹«, sagte die erste Stimme, in der unverhohlen Arger mitschwang, »sondern ›Karawane des Fürsten‹. Das hat er gemeint.«
»Und der Gefangene, der heute nacht geflohen ist, war der Prinz?«
»Borric. Wenn nicht, treibt die Göttin des Schicksals ärgere Spielchen mit uns, als ich mir vorstellen kann. Er war der einzige rothaarige Sklave, den wir gefangen haben.«
Die ruhigere Stimme sagte: »Lord Feuer wird nicht begeistert sein, daß er noch lebt. Solange Borric als tot galt, war die Mission unseres Meisters beendet, aber sollte es der Prinz von den Inseln lebend bis in seine Heimat schaffen …«
Die verärgert klingende Stimme sagte: »Das darf ihm nicht gelingen, und darum müßt Ihr Euch kümmern – und sein Bruder muß ebenfalls sterben.«
Suli wollte durch den Türspalt spähen, doch er sah nichts, also guckte er durch das Schlüsselloch. Er erblickte den Rücken eines Mannes und die Hand eines anderen, die auf dem Schreibtisch lag.
Der Mann am Schreibtisch beugte sich vor, und Suli erkannte das Gesicht des Gouverneurs von Durbin. Zu dem gehörte die verärgerte Stimme. »Außerhalb dieses Zimmers weiß niemand, daß es sich bei dem entlaufenen Sklaven um Prinz Borric handelt. Er darf seine wahre Identität niemandem enthüllen. Verbreitet das Gerücht, er habe bei der Flucht eine Wache umgebracht, und er soll sofort getötet werden, wenn er gefangen wird.«
Der Mann mit der ruhigen Stimme machte einen Schritt zur Seite und verstellte Suli den Blick auf den Gouverneur. Der Bettler richtete sich auf, weil er fürchtete, die Tür könne jeden Moment aufgehen, doch die Stimme sagte: »Die Sklavenhändler werden es nicht gern hören, daß sie den Mann bei der Ergreifung töten sollen. Sie werden eine öffentliche Hinrichtung wollen, seinen langsamen Tod in einem Käfig als Warnung vor weiteren Ausbruchsversuchen.«
Der Gouverneur sagte: »Ich werde die Gilde beschwichtigen.
Doch der Flüchtling darf kein Wort sagen. Wenn jemand herausbekommt, in welcher Angelegenheit wir unsere Finger haben
…« Er ließ den Gedanken unausgesprochen. »Lafe und Reese müssen auch zum Schweigen gebracht werden.«
Suli entfernte sich von der Tür. Borric, dachte er bei sich. Somit handelte es sich bei seinem neuen Meister um Prinz Borric aus dem Hause
Weitere Kostenlose Bücher