Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
doch es war kein Schnitt zu sehen.
Harry sagte: »Ich habe dich stundenlang mit der Linken üben sehen. Warum hattest du so viele Schwierigkeiten?«
Nicholas sagte: »Ich weiß nicht. Mein Fuß …«
Amos und die anderen aus Crydee sahen nach unten und konnten weder am rechten noch am linken Fuß etwas Auffälliges entdecken.
»Er hat sich verändert!« rief Ghuda.
Nicholas schüttelte den Kopf. Sein Fuß sah jetzt wieder normal aus. »Er hat wehgetan. Ein stechender Schmerz, jedes Mal, wenn ich draufgetreten bin. Es wurde immer schlimmer, je länger der Kampf dauerte.«
»Tut es jetzt noch weh?« fragte Nakor.
Nicholas belastete den Fuß. »Nur wenig … Der Schmerz ist weg.«
Nakor nickte, sagte jedoch nichts.
Amos wandte sich an die anderen Kapitäne und sagte: »Nun, eurer Gerechtigkeit ist Genüge getan.« Zu Marcus und Harry sagte er: »Nehmt einige von unseren Männern und begleitet den Sheriff«, und zu Patrick: »Wenn es dir nichts ausmacht.«
»Nein, nein«, antwortete Patrick.
Amos sagte zu Marcus: »Wenn ihr mit Renders Mannschaft fertig seid, sag den Kerlen, ich würde jeden freikaufen, der mir erzählen kann, wer die Mädchen von der Insel geholt hat und wohin sie verschifft wurden.«
Marcus nickte und machte sich mit Harry davon.
Amos wandte sich um. Nicholas saß da und starrte den leblosen Körper von Render an. Das Gesicht des Jungen war aschfahl, und er sah aus, als wäre er krank. Amos klopfte ihm auf die Schulter.
»Mach dir keine Sorgen, mein Sohn. Du wirst dich dran gewöhnen.«
Nicholas stiegen die Tränen in die Augen. »Ich hoffe nicht.« Er beachtete die starrenden Blicke nicht, die auf ihn gerichtet waren, nahm seine Jacke und ging langsam die Treppe hoch zu seinem Zimmer.
Nicholas schlief lange am nächsten Morgen. Die Gefangennahme von Renders Truppe war einfacher gewesen, als sie gedacht hatten.
Alle Männer waren an Bord seines Schiffes, der Herrin der Finsternis , gewesen, wo sie auf den Befehl zur Übernahme der Raubvogel gewartet hatten. Einige Drohungen hatten gereicht. Sie waren wesentlich weniger widerstandsfähig als die Seeleute aus dem Königreich, denn sie hatten nur des Geldes wegen angeheuert.
Als Nicholas die Tür öffnete, hörte er jemanden eilig die Treppe herauflaufen. Dann erschien Harry atemlos auf dem Absatz.
»Was gibt’s?« fragte Nicholas.
»Du solltest lieber mitkommen.« Er eilte die Treppe wieder hinunter, und Nicholas folgte ihm.
In dem großen Zimmer, in dem sie ihr Hauptquartier aufgeschlagen hatten, fanden sie den Admiral mit William Swallow und Patrick von Grauburg zusammen.
Amos sah auf. »Sie sind alle tot.«
»Wer?« fragte Nicholas und befürchtete schon, jetzt Margarets oder Abigails Namen zu hören.
»Renders Mannschaft. Sie sind alle tot.«
Nicholas kniff die Augen zusammen. »Alle?«
»Ja«, sagte Patrick, der kaum seine Wut zügeln konnte. »Und ein halbes Dutzend meiner Männer noch dazu. Jemand hat das Trinkwasser des Gefängnisses vergiftet. Ich habe fünf Wachen und einen Koch verloren.«
»Niemand hat überlebt?«
»Es war eine Schweinerei. Jemand hat das Essen versalzen, da wollten sie alle Wasser. Wir sind nicht so ein rüder Haufen, also haben wir es ihnen gegeben. Die Gefängniswächter haben das gleiche gegessen wie die Gefangenen, und jetzt sind sie alle tot.«
»Und es gibt noch mehr Tote«, meinte Amos.
Swallow sagte: »Hier und dort in der Stadt sind Leichen aufgetaucht, insgesamt ein Dutzend.«
»Vermutlich Leute, die bei dem Überfall mitgemacht haben«, fügte Amos hinzu.
»Wenn wir bloß Peter den Schrecklichen finden könnten. Aber ich wette, der liegt auch längst auf dem Meeresgrund. Und ich glaube, da liegen auch die sechs Tsuraniassassinen. Jemand verwischt seine Spuren.«
Nicholas fragte: »Sie sind alle tot?«
Amos nickte. »Und ich fürchte, wir werden vor Einbruch der Dunkelheit noch mehr Leichen in der Stadt finden. So verhält sich das mit religiösen Eiferern.«
Patrick sagte: »Ich werde verkünden lassen, daß jeder, der mit dem Überfall zu tun hatte, eine bessere Überlebenschance hat, wenn er sich bei uns meldet.«
»Das wird nichts bringen«, sagte Amos und stand auf. Er kratzte sich am Kopf. »Dein ganzes Gefängnis liegt voller Toter, wer wird uns da schon glauben.«
»Verdammt noch mal, Amos«, meinte Patrick. »Dann lassen wir eben niemanden, den wir nicht kennen, in die Nähe derer, die sich melden.«
Amos schüttelte den Kopf. »Was würdest du tun, wenn du bei dem
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