Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
gehörten die Männer zum größten Teil der königlichen Marine an, weshalb ihre Disziplin sie auch in dieser verzweifelten Lage nicht aufgeben ließ. Jeder von ihnen sehnte sich danach, so viel Wasser wie möglich zu trinken, doch jeder gehorchte auch den Befehlen und trank nur die ihm zustehenden zwei Schlucke.
Nicholas blickte Amos an, der regungslos beobachtete, wie drei seiner Leute den Toten mit Steinen bedeckten. Im Laufe der Jahre hatte er, wie Nicholas wußte, viele seiner Männer sterben sehen, aber der Tod dieser Seeleute wog doppelt schwer, waren sie doch von Krondor aus nur zu einer Routinefahrt an die Ferne Küste aufgebrochen, nach deren Ende der Admiral heiraten wollte.
Nicholas fragte sich, wie seine Großmutter wohl reagieren mochte. Die Nachricht von den Überfällen mußte Krondor längst erreicht haben, und höchstwahrscheinlich führte sein Vater bereits eine Flotte mit Schiffen, die Hilfe brachten, an die Ferne Küste.
Auch über den nördlichen Paß würde von Yabon aus durch die Grauen Türme Hilfe kommen.
Und dann fragte sich Nicholas, was sein Onkel Martin wohl machte. Lebte er noch? Beim Gedanken an Martin sah er zu Marcus hinüber. Marcus’ Benehmen Nicholas gegenüber hatte sich seit der Kletterei in den Klippen grundlegend gewandelt. Vielleicht würden sie nie Freunde werden, doch jetzt waren sie wenigstens keine Rivalen mehr. Beide würden Abigails Wahl, egal, wie sie ausfiel, annehmen.
Ghuda gab das Zeichen, und sie brachen auf. Sie marschierten Richtung Süden, und zwar aus dem gleichen Grund, aus dem sie auf dem Strand nach Süden gezogen waren; es war die Richtung, die sie am direktesten zu ihrem Ziel führen würde.
Eine Stunde nach Sonnenuntergang wurde es kalt. Jeder zog die Kleidung an, die er hatte, um die Kälte besser zu ertragen.
Die Rastpausen wurden so kurz wie möglich gehalten, aber sie konnten nicht die ganze Nacht durchmarschieren. Amos hatte bei der Beobachtung von Sonne und Sternen festgestellt, daß die Jahreszeiten hier tatsächlich andersherum waren. Da das Frühjahr auf den Sommer zuging, wurden die Tage länger, es würde also noch heißer werden. Innerhalb von zwei Tagen müßten sie Wasser und Schatten finden, oder sie würden alle sterben.
So schleppten sie sich weiter durch die Nacht.
Sie waren noch vierunddreißig.
Es würde ihr letzter nächtlicher Marsch werden, wenn sie nicht Wasser fänden. Sie kamen nur noch halb so schnell voran wie in der ersten Nacht. Ghuda schätzte, in der vergangenen Nacht hatten sie weniger als zehn Meilen zurückgelegt, und sie könnten sich glücklich schätzen, wenn sie das heute wieder schafften.
Der Söldner erhob sich unter dem winzigen Zelt aus Hemden und Mänteln und sagte: »Es ist Zeit.«
Sie suchten den Horizont ab, und plötzlich rief einer der Seeleute: »Wasser!«
Ghuda blickte in die Richtung, in die der Mann zeigte, und Nicholas folgte seinem Blick. Im Westen schimmerte etwas blau am Horizont. Nicholas fragte: »Ghuda?«
Der alte Söldner sagte: »Es könnte eine Luftspiegelung sein.«
»Luftspiegelung?« fragte Harry.
Nakor erklärte es ihm. »Heiße Luft macht seltsame Sachen. anchmal wirkt sie wie ein Spiegel im Himmel, nur daß sie dir das Blau des Himmels am Boden zeigt. Das sieht dann wie Wasser aus.«
Ghuda rieb sich das Kinn. Er sah Nicholas an, und seinem Gesichtsausdruck zufolge wollte er die Entscheidung nicht treffen.
Wenn es eine Luftspiegelung war, würden sie alle sterben. Wenn es Wasser war und sie es nicht beachteten, würden sie ebenfalls alle sterben.
Nicholas meinte: »Wir sollten es im Auge behalten, bis die Sonne untergegangen ist.«
Calis sagte: »Vögel.« In diesem Moment tauchte die Sonne gerade unter den westlichen Horizont.
»Wo?« fragte Nicholas.
»Dort, im Südwesten.«
Nicholas starrte in die Richtung und sah nichts. Alle anderen blickten auch dorthin, aber keiner bestätigte die Entdeckung.
»Ihr müßt magische Augen haben«, sagte Amos. Seine Stimme war vor Trockenheit heiser.
Calis sagte nichts, sondern ging einfach in die Richtung los, in der er die Vögel gesehen hatte.
Eine Stunde später erreichten sie den Rand der Wüste. In der Dunkelheit konnte man das kaum sehen, doch sie spürten es unter den Füßen. Plötzlich federte der Boden, war nicht mehr hart wie die Felsen oder so weich wie der Sand. Brisa fiel auf die Knie und sagte: »Ich habe noch nie etwas so Süßes gerochen.« Ihre Stimme war nur ein trockenes Krächzen.
Nicholas
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