Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
erstreckte sich ein paar Dutzend Schritte weit Wiese, danach Sand. Im Licht des Mondes zog er sich so weit, wie das Auge blicken konnte. Calis sagte: »Die Männer unten sind tot. Das müßt Ihr hinnehmen. Wir werden allen Proviant und alles Wasser brauchen.«
»Wie weit?« fragte Nicholas.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Ghuda. »Ich habe nur kurz nach Sonnenuntergang, ehe es ganz dunkel wurde, einen Blick darauf werfen können, aber es sind wenigstens drei oder vier Tagesmärsche.
Mit etwas Glück finden wir da draußen eine Oase.«
»Und da ist noch etwas«, sagte Calis.
»Was denn?« fragte Nicholas.
Ghuda antwortete: »Diese Ziegen. Die hat jemand hiergelassen. In die Ohren der älteren hat man ein Zeichen tätowiert. Die jungen Tiere haben keins.« Er strich sich durch den grauen Bart. »Ich bin schon durch die Jal-Pur gereist. Wenn die Wüstenmenschen Ziegen in einer Oase zurücklassen, dann nur, weil ihr Stamm Anspruch auf das Wasser erhebt. Andere Stämme lassen die Oase dann in Ruhe. Es gibt leicht Blutfehden, wenn man das Wasser eines anderen ohne Erlaubnis nimmt.«
Nicholas fragte: »Glaubt Ihr, jemand wird hierher kommen?«
»Früher oder später«, sagte der Söldner. »Ich weiß nicht, ob Schmuggler diese Klippen benutzen, oder einfach Nomaden, die keine Fremden mögen, aber wem auch immer diese Tiere gehören, er wird sich kaum freuen, wenn wir sie alle schlachten. Lange lassen sie die Ziegen sicherlich nicht hier, denn innerhalb eines Jahres hätten sie alles abgefressen. Diese kleine Herde ist jemandes Nahrungsreserve.«
»Und wir haben genau zwei Schwerter, einen Bogen und einen Köcher voller Pfeile«, fügte Calis hinzu.
»Nicht gerade viel«, stimmte Nicholas zu. »Wie sieht es mit Wasser und Proviant aus?«
»Wir haben genug Datteln, Ziegenfleisch und Wasser für wenigstens fünf Tage, wenn wir sparsam damit umgehen.«
Nicholas erinnerte sich an das, was er als Kind über Wüsten gelernt hatte, und fragte: »Sollten wir nicht lieber nachts marschieren?«
Ghuda meinte: »Für unsere Gesundheit wäre das das Beste. Ich werde allen zeigen, wie man sich tagsüber am besten verkriecht, und wir ziehen nachts weiter.«
Nicholas nickte. »Heute nacht bleiben wir also hier, und morgen ruhen wir uns tagsüber aus. Bei Sonnenuntergang brechen wir auf.«
Banditen
Der Sturm brach los.
Nicholas lag auf dem Boden und döste. Ghuda hatte darauf bestanden, daß sich jeder während des Tages mit allem, was irgendwie greifbar war, Schatten verschaffte. Alles – Westen, Mäntel, Stücke von Segeln – wurde benutzt, um die Köpfe zu bedecken. Sie hatten selbst die Kleidung derjenigen verwendet, die in der ersten Nacht in der Wüste gestorben waren. Als Nicholas am zweiten Tag in der unbarmherzigen Hitze Ruhe suchte, verstand er, warum der Schutz der Lebenden wichtiger war als die Würde der Toten. Alle brauchten Schatten für die Köpfe und eine Bedeckung für die Füße.
Die Wüste hatte er sich ganz anders vorgestellt. Wie die meisten Bürger des Königreichs hatte er von der Jal-Pur-Wüste gehört, war jedoch niemals dagewesen. Er hatte sie sich als endlose Sandlandschaft gedacht.
Statt dessen bestand diese Wüste überwiegend aus Felsen und Salzflächen, die mit Sanddünen durchsetzt waren. Nicholas war dankbar, daß es nicht nur Sand war. Im Sand kamen sie nur halb so schnell vorwärts.
Der Wind legte seine Nerven zusätzlich blank; er war trocken, und selbst wenn er kühl wehte, sog er die Feuchtigkeit aus dem Körper.
Zudem trug er immer feinen Sand mit sich, der in Nase, Mund und Augen drang, egal, wie gut man sich schützte. Nicholas träumte nicht nur seines ausgetrockneten Mundes wegen von Wasser, sondern er hätte auch gern sein Gesicht, sein Haar und seine Kleidung gewaschen. Der allgegenwärtige feine Sand verursachte wunde Stellen an Armen und Beinen, und beim Essen knirschte er zwischen den Zähnen.
Sie waren zwei Nächte unterwegs gewesen und kamen langsam, aber stetig voran. Ghuda paßte immer auf, daß keiner in der Gruppe aus der Marschordnung trat, trank, ehe er das Zeichen dazu gab, oder stehenblieb. Alle wußten, wer einmal hinfiel, würde zurückgelassen.
Niemand hatte genug Kraft, einen anderen zu stützen.
Die Nächte in der Wüste waren genauso bitterkalt wie die am Strand, doch beim Gehen blieb man warm. Dennoch starben einige der Männer an Unterkühlung. Wenn die Sonne aufging, kam die Hitze.
Nicholas dachte an den gestrigen Tag zurück. Zuerst war der
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