Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
legte sie auf den Tisch und fragte: »Welche davon ist ein Pastoli?«
Tuka riß beim Anblick des Geldes die Augen auf. »Dieser hier, Encosi.« Er zeigte auf die kleinste Kupfermünze.
»Und was sind die anderen für welche?« fragte Ghuda.
Falls Tuka die Frage ungewöhnlich erschien, sagte er jedenfalls nichts. »Dies ist ein Stolesti, das sind zehn Pastolis.« Er ging die anderen Münzen durch. Ein Silberkathanri waren zwanzig Stolestis, oder ein Golddrakmasti – kurz ein Drak. Die anderen Münzen waren aus anderen Städten. Tuka erklärte ihnen, es sei üblich den Wert der Münzen nach Gewicht und Sorte einzuschätzen. Die meisten Händler hatten Prüfsteine. Geldwechsler gab es nicht. Nicholas warf ihm einen Stolesti zu und sagte: »Geh und kauf dir etwas zu essen und ein sauberes Hemd.«
Der kleine Mann verbeugte sich eifrig und sagte: »Encosi sind zu großzügig.« Damit eilte er aus dem Gemeinschaftsraum.
Marcus sagte: »Ich dachte immer, die Armen im Königreich hätten nichts, aber die Menschen hier haben ja noch weniger.«
Ghuda sagte: »Sie zahlen den Wagenlenkern hier ein Zehntel von dem, was sie in Kesh bekommen.«
Amos sagte: »Scheinbar sind wir mit Shingazis Schatz nicht nur gut ausgerüstet, sondern auch noch sehr, sehr reich geworden.«
Nicholas sagte: »Das ist gut, doch es bringt uns den Gefangenen auch nicht näher.«
»Das stimmt«, meinte Amos.
Nicholas sagte: »Wo sind Harry und Brisa? Sie sollten längst zurück sein.« Er hatte sie noch einmal zum Basar geschickt, wo sie nach Möglichkeit Anschluß an die hiesigen Diebe und Bettler finden sollten. »Und wo zum Teufel ist Nakor?«
Ghuda zuckte mit den Schultern. »Nakor? Der wird schon wieder auftauchen. Der taucht immer wieder auf.«
Nakor betrat den Palast. Er hatte eine Gruppe von Mönchen beobachtet, die auf den Eingang zugingen, gerade als er sich gefragt hatte, wie er wohl selbst hineinkommen könnte. Er hatte ihre gelben und orangefarbenen Roben gesehen, die bis zu den Knien und Ellbogen reichten. Nakor hatte den Rucksack so gedreht, daß es aussah, als trüge er ein Bündel, und hatte sich hinter dem letzten Mönch eingereiht. So war er zum Mönch des Ordens von Agni geworden – Agni war, wie er wußte, der hiesige Name von Prandur, dem Gott des Feuers – und zwischen zwei Roten Kämpfern am Tor hindurch einfach in den Palast gegangen.
Er betrachtete die beiden Wachen aus den Augenwinkeln, während er an ihnen vorbeischritt, und verglich sie mit Amos’ Beschreibung von Murmandamus’ Schwarzen Kämpfern aus dem Spaltkrieg. Amos, das einzige Mitglied ihrer Gesellschaft, das je einen zu Gesicht bekommen hatte, hatte Nicholas von ihnen erzählt, als sie den Helm an Shingazis Anlegestelle gefunden hatten. Diese Roten Kämpfer standen bewegungslos da und steckten von Kopf bis Fuß in einer roten Kettenrüstung. Ihre Helme bedeckten den ganzen Kopf und ließen nur zwei Schlitze für die Augen frei. Oben auf den Helmen hockte ein Drache, dessen Flügel zu beiden Seiten des Helms herunterhingen. Die Augen des Drachen waren entweder Onyxe oder Saphire, da war sich Nakor nicht sicher, und er wollte nicht ganz so auffällig hinschauen. Jede Wache trug einen roten Wappenrock mit einem schwarzen Kreis in der Mitte, in dem sich eine goldene Schlange mit roten Augen zu einem S wand.
Der Eingang des Palastes bestand aus einem Gang, der, wie Nakor vermutete, durch die ganze Stärke der Außenmauer führte. Dann traten sie wieder unter freien Himmel und überquerten einen uralten Burghof, über den man zum eigentlichen Palast kam. Sie stiegen zwischen Säulen, die einen Erker im darüberliegenden Stock trugen, die wenigen Stufen einer breiten Freitreppe hinaus. Oben auf dem Erker war eine Brustwehr mit Schlitzen für Bogenschützen. Nakor fiel auf, daß dieser Versuch, im klassischen Stil zu bauen, die Belange der Verteidigung nicht außer acht gelassen hatte. Ansonsten fand er den Wohnsitz des Oberherrn im großen und ganzen ausgesprochen häßlich.
Sie marschierten in die große Halle, wo sich bereits andere versammelt hatten.
Gewöhnliche Soldaten mit schwarzen Wappenröcken, auf denen ebenfalls das Schlangenzeichen prangte, säumten die Wände, während sich schon ein Dutzend anderer Orden vor den Feuermönchen aufgestellt hatte. Vielleicht hundert Männer in reicher Kleidung, einige davon Händler, andere Söldnerhauptmänner, drängten sich um die Mönche und Priester herum.
Nakor blieb einen Schritt hinter dem letzten
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