Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
Geburt möglich gemacht, und die Magie seines Vater hatte dem Sohn Fähigkeiten vererbt, die ebenfalls magischer Natur waren. Calis lächelte, als er daran dachte, was Nakor jetzt sagen würde. Er hatte auf dem Schiff viele der Gespräche zwischen Nakor und Anthony mithören können – Nakor würde sagen, daß es keine Magie gibt und die Welt aus Stoff gemacht sei.
Calis wußte, Nakor war näher an der Wahrheit, als ihm klar war, und er fragte sich, ob er Nakor mit nach Elvandar nehmen sollte, wo er die Zauberwirker kennenlernen könnte – vorausgesetzt, er und Nakor würden jemals wieder nach Hause zurückkommen.
Calis rannte vom Wald über die Straße, die zum Anwesen führte.
Er bewegte sich unnatürlich leise, so wie es Elben nun einmal angeboren war. Als er hinter einer einzelnen Eiche stehenblieb, ging sein Atem immer noch ruhig.
Calis betrachtete die Mauer und wartete. Er besaß eine übermenschliche Geduld und blieb unbeweglich eine halbe Stunde an der gleichen Stelle stehen. Es gab keine Anzeichen von Bewegung auf der mit Zinnen versehenen Mauer. Sie war vielleicht fünf Meter hoch und bot wenig Halt, wollte man hinaufklettern. Bis jetzt hatte Calis seinen Bogen in der Hand getragen, doch nun hängte er ihn sich über die Schulter und ging in die Knie. Mit aller Kraft sprang er hoch und packte mit beiden Händen die Kante der Mauer.
Leise zog er sich weit genug hoch, um hinüberspähen zu können.
Der Wehrgang war leer. Er zog sich hoch, schwang sich über die Kante und duckte sich in den Schatten einer Mauerzacke, damit sich seine Gestalt nicht gegen den nächtlichen Himmel abhob.
Er sah sich um. Auf der Mauer war keine Wache. Das Anwesen war riesig. Zwischen Gärten und Außengebäuden führten Wege hin und her. Das mittlere Gebäude war noch weiter als eine Viertelmeile entfernt und hatte eine eigene Schutzmauer.
Gewöhnlich verfluchte Calis weder das Schicksal noch bat er die Götter um eine besondere Gunst. Doch die Suche auf diesem Anwesen würde viele Nächte in Anspruch nehmen, wenn er nicht Glück hatte. Er wußte, er hatte kaum mehr als eine Stunde Zeit, dann mußte er wieder bei Marcus sein. Er machte sich keine Sorgen, ohne Boot über den Fluß zu kommen – er konnte gegen die starke Strömung genauso leicht anschwimmen, wie er auf die Mauer gesprungen war –, doch er machte sich Sorgen um Marcus’ Sicherheit. Er war sein einziger richtiger Freund. Marcus nahm Calis so, wie er war, während selbst seine besten Freunde in Elvandar immer einen gewissen Abstand hielten. Calis war deswegen weder traurig noch verbittert – so war es einfach unter Elben. Sein Vater hatte im eigentlichen Sinn auch sehr wenig Freunde, dafür wurde er jedoch durch die Liebe seiner Frau entschädigt. Und durch den Respekt, den man ihm als Kriegsherrn zollte. Calis wußte, sein eigenes Schicksal würde ihn vielleicht von Elvandor fortführen, und auch nur deshalb hatte er Marcus auf dieser Reise begleitet.
Calis prägte sich ein, wie das Gelände terrassenförmig bis zum Haupthof anstieg. Er sprang direkt vom Waffengang hinunter und folgte dem Pfad, wobei er ständig lauschte, ob sich ihm jemand näherte.
Margaret wurde wach. Ihr Kopf schmerzte dumpf, und ihr Mund war trocken. Als sie zum ersten Mal an der Tafel ihres Vater hatte Wein trinken dürfen, hatte sie sich so ähnlich gefühlt, doch gestern abend war zum Essen kein Wein gereicht worden.
Das Licht war grau, es dämmerte langsam, Sie setzte sich mühsam auf, holte tief Luft und bemerkte plötzlich diesen würzigen Geruch, der fremd, aber nicht aufdringlich in der Luft hing.
Im schwachen Licht erkannte sie Abigails stille Gestalt im anderen Bett. Die dünne Decke hob und senkte sich bei jedem Atemzug über ihrer Brust. Abigails Gesicht war verzerrt, als träume sie schlecht.
Dann erinnerte sich Margaret: es war ein Traum gewesen, der sie geweckt hatte. Sie war von irgendwelchen Wesen festgehalten worden … sie konnte sich nicht mehr recht an sie erinnern.
Sie sah, wie sich eine der beiden seltsamen Kreaturen in ihrem Zimmer bewegte. Das Ding machte mit der Hand eine Bewegung, als würde es sich bürsten.
Margaret stieg aus dem Bett und zwang ihre wackeligen Beine, sich zu bewegen. Benommen schwankte sie durch das Zimmer zu den beiden Kreaturen, die die Köpfe zusammengesteckt hatten und miteinander tuschelten. Margaret fühlte sich plötzlich alarmiert. Die Kreaturen hatten sich verändert. Als die Dämmerung durch das Fenster hereinkam,
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