Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
Schulter und hielt ihn zurück. Marcus schwieg. »Wir werden morgen darüber sprechen.«
Nicholas bat nicht erst um Erlaubnis zu gehen. Er stand einfach auf und verließ die Wärme des Ofens. Er fand einen Platz unter der Treppe, der ein wenig Schutz bot und kauerte sich dort hin. Nach ein paar Minuten merkte er, wie sehr er sein Zuhause brauchte, seine Mutter und seinen Vater, seine Schwester und seine Brüder, seine Lehrer und alle die, die ihn immer geliebt und beschützt hatten. Zum ersten Mal seit Jahren fühlte er sich wie ein kleiner Junge. Er fühlte sich krank und schämte sich. Nicholas drehte das Gesicht zur Wand und weinte leise vor sich hin.
Entscheidungen
Der Sturm brach los.
Nicholas wurde durch die Tropfen auf seinem Gesicht wach. Er hatte tief und traumlos geschlafen; jetzt war er steif und immer noch erschöpft. Er fragte sich kurz, wo er war, dann erinnerte er sich wieder an das, was geschehen war.
Verzweiflung erfüllte ihn, während es durch die Öffnung über dem Gastraum hereinregnete. Diejenigen, die entlang der Wand oder unter freiem Himmel geschlafen hatten, drängten sich in den Teil, der von der Decke zum ersten Stock überdacht war.
Es war noch dämmerig, doch das lag vermutlich am wolkenverhangenen Himmel. Sicherlich war es schon nach Sonnenaufgang. Harry kam zu ihm: »Komm schon, wir haben viel Arbeit vor uns.«
Nicholas nickte und stand unbeholfen auf. Sein Fuß schmerzte, und er humpelte. Er mußte sich geradezu zwingen, in den Regen hinauszugehen. Innerhalb von Sekunden war er bis auf die Haut durchnäßt. Wenigstens hatte der Sturm den scharfen Rauchgestank gemildert.
Sie erreichten die offene Tür des Gasthauses und traten hinaus zu Martin. Er hatte seinen Bogen und seinen Köcher in Öltuch eingewickelt, ansonsten schien er den Regen nicht zu bemerken.
»Wir müssen soviel Bauholz wie möglich beschaffen, Junker«, sagte er zu Nicholas.
Nicholas nickte und wandte sich an drei Männer, die unter einem Vorsprung standen, wo sie glaubten, besser gegen das Wetter geschützt zu sein. »Ihr drei«, rief Nicholas, »seid Ihr verletzt?«
Die drei Männer schüttelten die Köpfe, und einer sagte: »Aber wir sind naß, Junker.«
Nicholas winkte sie zu sich. »Noch nasser könnt Ihr dann ja nicht werden. Ich brauche Euch.«
Einer der Männer sah Martin an, der nickte einmal, und die drei standen auf und folgten Nicholas.
Der Tag verging mit Aufräumarbeiten. Sie fanden hier einen brauchbaren Balken, dort ein paar verschonte Bretter, und sie trugen alles, was sich bewegen ließ, zum Gasthaus.
Gegen Mittag ließ der Sturm nach. Nicholas und seine drei Gefährten – ein Bauer, dessen Haus am Stadtrand abgebrannt war, und seine zwei Brüder, die in der Mühle gearbeitet hatten – hatten ein halbes Dutzend Fässer mit Nägeln, einige unzerstörte Zimmermannswerkzeuge und genug Holz für ein Dutzend einfache Schutzhütten gesammelt. Der Zimmermann, der den Überfall überlebt hatte, behauptete, er könne das Dach des Gasthauses mit genug Bauholz und drei fähigen Männern innerhalb einer Woche fertigstellen. Martin sagte, sie würden sehen, ob sich ausreichend Sägen auftreiben ließen, um Bäume zu fällen.
Eine Sache erwies sich, wie Nicholas feststellte, als Segen: die Tradition, daß jeder Junge in der Burg alle möglichen Handwerke ausprobieren mußte, ehe er schließlich am Tag der Auswahl bei einem Meister in die Lehre ging. Obwohl diese Männer weder Zimmerleute noch Maurer waren, wußten sie doch einiges über diese Arbeiten, die sie als Jungen kennengelernt hatten.
Als es dunkel wurde, war Nicholas wie am Vortag erschöpft und hungrig. Nahrung würde bald zu einem Problem werden, doch auch in der zweiten Nacht konnte das Fischerdorf sie noch mit genug Essen versorgen. Ein Soldat, der sich beim Gehen auf eine grob angefertigte Krücke stützen mußte, betrat das Gasthaus und berichtete, ein halbes Dutzend Pferde wäre in der Nähe des Flusses gefunden worden. Martin freute sich. Jetzt konnte er eine kleine Patrouille zu Baron Bellamy schicken. Am Nachmittag hatte bereits ein Fischerboot nach Carse abgelegt, doch es würde viele Tage benötigen, um die Küste hinunter zu fahren.
Harry setzte sich zu seinem Freund und löffelte die Fischsuppe in sich hinein. Mit vollem Mund sagte er: »Ich hätte nie geglaubt, wie lecker dieser Eintopf sein kann.«
Nicholas erwiderte: »Du hast einfach nur Hunger.«
»Ach, wirklich?«
Nicholas starrte einen Moment lang ins Leere.
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