Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
»Glaubst du, wir werden sie jemals wiedersehen?«
Harry seufzte. »Ich habe heute gehört, wie Martin zu Marcus sagte, wenn Bellamy schnell genug eine Nachricht nach Krondor schickt, dann könnte unsere Flotte Durbin blockieren, ehe die Piraten dort ankommen. Martin denkt, dein Vater könnte den Gouverneur von Durbin dazu bringen, alle Gefangenen freizulassen.«
Nicholas seufzte. »Ich wünschte, Amos wäre schon zurück. Er kennt sich mit solchen Sachen aus. Er ist mal in Durbin Kapitän gewesen.«
Harry meinte: »Ich wünschte auch, er wäre hier. Vieles ergibt einfach keinen Sinn. Warum haben sie so viele umgebracht und alles niedergebrannt?«
Wenn er die elende Gesellschaft im Gasthaus betrachtete, mußte Nicholas dem zustimmen. Ihm fiel etwas ein. »Wo ist eigentlich Calis? Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit Charles gestorben ist.«
»Er ist zurück nach Elvandar gegangen«, antwortete Harry »Er müsse seiner Mutter berichten, was hier passiert ist, sagte er.«
»Götter. Was ist mit seinen Großeltern?« Nicholas hatte weder Magya noch Megar unter den Überlebenden gesehen.
»Ich glaube, ich habe Megar heute im Fischerdorf gesehen. Der Mann sah jedenfalls aus wie er. Er hat die Kocherei überwacht.«
Zum ersten Mal, seit sie zur Jagd aufgebrochen waren, mußte Nicholas lachen. »Dann muß er es ja gewesen sein.«
Robin, ein Page, der für Haushofmeister Samuel gearbeitet hatte, suchte sich einen Weg durch den überfüllten Raum und setzte sich neben die beiden Junker. Die drei Jungen verglichen, was sie den Tag über beobachtet hatten. Offensichtlich war fast das gesamte Personal der Burg bei dem Überfall umgekommen oder kurz darauf den Verletzungen erlegen, alle bis auf Megar und Magya, noch einen Koch und einen Küchenjungen, zwei weitere Junker und ein paar Pagen und Diener. Während der Nacht war ein weiteres Dutzend Soldaten gestorben, und viele der Stadtbewohner waren krank oder verletzt.
Nach dem Essen gingen Nicholas, Harry und Robin hinüber zu Martin, Anthony und Marcus. Martin fragte: »Habt Ihr gegessen?«
Die drei nickten, und Martin meinte: »Gut. Der Regen hat die noch brennenden Feuer gelöscht, also werden wir beim ersten Tageslicht zur Burg gehen und nachsehen, was geborgen werden kann. Jetzt schlaft ein bißchen.«
Nicholas und Harry sahen sich nach einem freien Schlafplatz um und entdeckten eine kleine Stelle an der gegenüberliegenden Wand.
Sie stiegen über schlafende Stadtbewohner hinweg und Nicholas kam zwischen Harry und einem alten Fischer, der laut schnarchte, zu hegen. Doch das Geräusch störte ihn kaum, denn er genoß die Nähe und die Wärme.
Tage vergingen, und Crydee erwachte von neuem zum Leben. Der Zimmermann und seine Helfer hatten auf das Gasthaus ein Dach gebaut, und das Haus wurde zum Hauptquartier des Herzogs. Martin weigerte sich jedoch, in einem der Zimmer im ersten Stock zu schlafen; diese überließ er lieber den Verwundeten und Kranken, die Schutz und Wärme brauchten. Weitere hundert Soldaten und Stadtbewohner waren an ihren Verletzungen oder an Krankheiten gestorben, allen Bemühungen von Anthony und Nakor zum Trotz.
Irgendwie war die Nachricht von der Tragödie zur entfernten Abtei von Silban an der Grenze zu Elvandar gelangt, und ein halbes Dutzend Mönche waren angekommen und leisteten Hilfe.
Harry war so etwas wie der Gastwirt geworden, da der Mann, der das Gasthaus gebaut hatte, bei dem Überfall getötet worden war. Er verkündete, welches Essen es gab, schlichtete Streitigkeiten und hielt alles in Ordnung. Vor allem aber konnte Harry seine Leute zur Vernunft bringen, die ihre gereizten Gefühle nicht mehr beherrschen konnten. Irgendwann eines Tages, wenn sie in eine Welt zurückgekehrt wären, die nicht so verrückt wie diese war, würde Harry am Hofe des Prinzen einen tüchtigen Verwalter abgeben.
Nicholas hatte Martin und Marcus zur Burg begleitet. Dort war nichts mehr heil. Die Flammen hatten alles, was ihnen in den Weg gekommen war, verbrannt. Das Feuer hatte eine solche Hitze entwickelt, daß selbst viele der jahrhundertealten Steine gesprungen waren. Sogar die metallenen Fackelhalter an den Wänden waren geschmolzen.
Auch im obersten Stockwerk hatte das Feuer ganze Arbeit geleistet. Martin und Marcus hatten lange Zeit vor der Tür von Margarets Zimmer verweilt und die verkohlten und zersprungenen Steine betrachtet. Geschmolzene Angeln waren die einzigen Reste der Türen. Von denen, die hier gestorben waren, war nichts
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