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Midleifcrisis

Midleifcrisis

Titel: Midleifcrisis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Lasse Andersson
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praktizierte ich nach einer kurzen Auszeit auch weiterhin außerehelich. Nur SMS lösche ich seitdem, sobald ich sie gelesen oder versendet habe, und auch die Freisprechanlage bleibt aus, wenn Elke mit im Wagen sitzt. Schließlich gibt es nichts Peinlicheres als eine lauschende Gattin, wenn gerade so ein Hase anruft und über Lautsprecher fragt: »Was machst du heute Abend, Schätzchen?«
    Mein aktueller Hase heißt Susanna, sie ist meine Assistentin. Nach etwa vier Wochen vögele ich sie das erste Mal, und ich glaube, dies wird auch von mir erwartet, die anderen machen es auch nicht anders. Susanna ist groß, hübsch, schlank, schlau, 31 Jahre alt, blonde Haare, grüne Augen, die sie zur Tarnung hinter einer Brille versteckt, vor allem ist sie über alle Maßen pragmatisch. Als ich beschließe, sie ins Bett kriegen zu wollen, kommt sie diesem Ansinnen ohne längeres Zögern nach. Eigentlich wäre ich lieber davon überzeugt, dass sie in mich verknallt ist, aber sie hat offenbar auch schon mit meinem Stellvertreter geschlafen, und wenn ich hier mal rausfliege, wird es sicher nicht lange dauern, bis sie sich auch mit meinem Nachfolger arrangiert.
    Eingestellt in dieser schönen alten Agentur hat mich Vorstandsmitglied Müller-Mannhagen, von dem ich inzwischen weiß, dass ihn vor allem die jüngeren Sekretärinnen nur »M&M« rufen und dabei an seine Körpermitte sowie die Werbung »Schmilzt im Mund und nicht in der Hand« denken müssen. Müller-Mannhagen ist höchstens 45 Jahre alt, dennoch schon Teilhaber und in vielerlei Hinsicht wird er mein neues Vorbild. Er hat den Deal mit Hermann & Friends eingefädelt, er ist ein knochenharter Hund, was er mit betont hanseatischem Auftreten zu verbergen sucht. M&M erhebt einfach nie die Stimme, ist selbst dann noch höflich, wenn er jemandem den Brieföffner in die Kehle rammt, und pflegt dazu noch die seltsame Angewohnheit vieler Hanseaten, in leisen Sätzen zu sprechen, die im Nachhall den Verdacht erwecken, in ihnen könnte möglicherweise ein wichtiger Hinweis auf etwas versteckt sein, was aus Höflichkeit unbedingt ungesagt bleiben sollte.
    M&M hat mir die Entwicklungsabteilung der Agentur mit den Worten »Wir denken darüber nach, ob es nicht gut wäre, einige ganz andere Ideen zu entwickeln« übertragen. Als ich fragend die Augenbrauen hebe, erfahre ich, dass mich Hermann als kreativsten Querdenker aller Zeiten angepriesen hat, und meine Kampagnen haben sie in dieser verwegenen Annahme offenbar bestärkt, jedenfalls äußert sich M&M sehr lobend über das, was er in unserem Kölner Archiv gefunden hat.
    Müller-Mannhagen sagt: »Wir sind ein wenig beunruhigt über die neuen Märkte und dass wir noch keinen Zugang gefunden haben. Unsere Entwicklungsabteilung ist sehr technisch, wissen Sie, gute Köpfe, solide in der Umsetzung, aber uns fehlt ein Schuss von revolutionärem Geist. Wenn Sie gute Ergebnisse bringen, ich meine richtig gute, dann ist auch der Weg zum Partner nicht weit. Wenn Sie bloß Geld verbrennen, wird Ihre Zukunft natürlich irgendwo anders liegen müssen. Denken Sie über die neuen Medien nach, da liegt das Geld der nächsten Jahre.«
    Ich bin mir nicht sicher, ob diese Personalentscheidung wirklich eine gute Idee ist, denn von den neuen Medien habe ich schlicht überhaupt keine Ahnung, doch ich habe mich schon durch andere Sachen im Leben durchgeblufft, und irgendwie hat es ja immer funktioniert.
    Außerdem hat M&M ja gar nicht unrecht. Wir stehen vor dem ersten Boom der New Economy, und als Erstes habe ich mich mit Aktien von etwa einem Dutzend Start-up-Unternehmen eingedeckt, die mir mit ihren Ideen die Bude einrennen. War natürlich Elkes Idee. Kommen für ein paar Piepen auf den Markt, die Dinger, verzehnfachen ihren Wert in ein paar Wochen, 90 von 100 sterben innerhalb des ersten Jahres wieder, aber die, die überleben, werden Goldgruben. Wirtschaftlich gesehen, der helle Wahnsinn, ich las darüber eine lange Reportage im Handelsblatt . Allein die Läden im Silicon Valley haben Ende der 90er einen Aktienwert, der dem der gesamten amerikanischen Stahlindustrie entspricht, dabei haben sie bloß ein paar Computer und einen Haufen ungewaschener Kreativer in ihren kleinen Büros sitzen, aber die Märkte sind völlig vernarrt in sie, und wer versteht schon die Märkte?
    Und jetzt geht das auch in Deutschland los. Streng genommen könnte man bei meinen Aktivitäten an der Börse auch an hässliche Straftatbestände denken, aber mein Steuerberater meint,

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