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Midleifcrisis

Midleifcrisis

Titel: Midleifcrisis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Lasse Andersson
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Erleichterung. Wenngleich es natürlich doch alle paar Tage wieder nötig wird. Ich weiß nicht, vielleicht reden Männer nicht über so etwas oder vielleicht werden alle medizinischen Ratgeberseiten ausschließlich von schwanzlosen Wesen geschrieben, aber zumindest bei mir ist es so, dass ich nach drei Tagen ohne Abschuss dicke Eier kriege und dass nach vier Tagen sogar das Hinsetzen schmerzhaft wird. Dann ist es allerdings schon zu spät, wenn ich das Zeug rausjodele, macht das keine Freude, sondern brennt wie Hölle.
    Christina lese ich in einem literarischen Forum auf, in dem ich manchmal Kurzgeschichten poste. Sie postet auch, und wie. Voller funkensprühender Wortgewalt, atemberaubendem Gossenwitz und mit einem in verwegene Schachtelsätze gegossenen Einfallsreichtum, der mich beim Lesen zufrieden lächeln lässt. Eine Frau, die richtig dreckig schreiben kann, dazu im besten Alter, nämlich 34 Jahre, und nicht mal so weit weg von hier. Fotos gibt es leider nicht, aber scheiß drauf, nachgucken, was das für ein Mädchen ist, das kostet nichts.
    »Klapp-klapp-klapp!«, schreibe ich ihr in die erste Nachricht.
    Ein schlichtes »?« belohnt die Kontaktaufnahme.
    Wenn ich will, schreibe ich so gut wie jeden an die Wand, doch ich entscheide mich für die defensive Variante.
    »Leiser Beifall aus der letzten Reihe!«, geht auf die elektronische Reise.
    »Dass ich schreiben kann, weiß ich«, ist die ungeduldige Antwort. »Aber was zur Hölle kannst du?«
    »Schreiben!«, antworte ich. »Wörterklirrendes, herzerwärmendes, schlüpferstürmendes Schreiben auf einem Niveau, das auch du erreichen kannst. Wenn du dir Mühe gibst.«
    Die Antwort ist ein vor Wutwörtern schnaubender Aufsatz über die überhebliche Nutzlosigkeit des Mannes. Ich nehme das Wortgefecht auf, welches, ich gebe solcherlei selten zu, für mich maximal mit einem Unentschieden endet, denn Christina ist beim Formulieren und Fabulieren fantastisch und dazu schnell.
    Drei Tage später scheint Christina daheim gerade Minnegesänge zu lesen, jedenfalls entstammen ihre Mails für einige Stunden ausnahmslos dem Mittelalter. Das Thema aber bleibt das Gleiche, nämlich die Sinnlosigkeit, sich mit »hergelauftem Mannsvolk und sonstig haarig Gesindel« abzugeben. Ein Wettbewerb, den ich ungelenk, aber tapfer aufnehme. »Ihren heißen Zorn kann er verstehen«, antworte ich, »sie sind so selten, die getreuen Recken, die nicht nur ihren Körper trefflich vögeln, doch auch den edlen Geist, aber sei ihr versichert, holde Jungfer, sie ist auf dero Ritter gestoßen, den Wackersten aller, obendrein.«
    Nach wenigen Tagen wechseln wir das Medium.
    Ganze Kurzgeschichtensammlungen schickt sie mir, die ich mit möglichst klugen Kommentaren erwidere, und auch ich versuche mich erstmals darin, einer Frau vielleicht Besseres zu schreiben als Baggermails. Christina erobert meinen Kopf im Sturm, sie ist mehr Poetin als Belletristin, und ich glaube, wir sind gemacht füreinander. Vor zwei Jahren oder so, da hätte ich mich blindlings in sie verliebt. Doch inzwischen bin ich abgeklärt. Mir doch egal, ob sie hübsch ist, ich will sie, weil sie so klug ist und so einfallsreich und so wortgewandt.
    Wir haben noch keine Fotos getauscht, und wir tun es auch später nicht, denn das, was wir schreiben, ist schöner als jedes Bildnis. Lange überlege ich, ob ich die Eskalation wirklich will, doch schließlich frage ich bescheiden nach, ob ihr Gehirn sich inzwischen ausreichend gevögelt fühlt und ich mich jetzt nicht um andere Regionen ihres vernachlässigten Körpers kümmern soll.
    Die Antwort ist kurz, bündig und, wie immer bei ihr, ein Fehdehandschuh mitten ins Gesicht. »Freitag! Aber wehe, du siehst scheiße aus.«
    Es wird ein Frühlingstag, wir fahren offen, und ich liebe auf Anhieb ihre zu große Nase und ihre Versuche, den Kopf in solche Positionen zu drehen, die mir keinen Blick auf ihr Profil gestatten.
    Christina ist ein großes, etwas linkisches Mädchen mit scheuem Lächeln, das altbekannte, schmerzliche Saiten meiner Seele zum Klingen bringt. Als wir den Wanderweg die Elbe hinauf beschreiten, nehme ich ihre Hand, was ein heikles Unterfangen ist, denn nur wenige Frauenhände fühlen sich gut an und fühlen sich richtig an und fühlen sich an, als ob sie in meine gehören.
    Als überraschend Aprilregen einsetzt, flüchten wir unter das Dach des Aussichtsturms, der den Blick bis in die Endlichkeit des Elbstroms öffnet. »Mein T-Shirt ist trocken geblieben«, sage ich.

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