Midnight Angel: Dunkle Bedrohung (German Edition)
gewaschen zu werden, als von einer Krankenschwester. Er wickelte sie in ein warmes Handtuch – offenbar hatte er irgendwann den Heizkörper aufgedreht – und rieb sie trocken.
»Nur eine Sekunde, Honey « , sagte er und ließ sie los. Die Badezimmertür öffnete und schloss sich und ließ einen Schwall kalter Luft herein. Einen Moment später kam er mit Kleidung zurück und half ihr beim Anziehen.
Er spülte den Lappen aus, dann hörte sie, wie er sich selbst wusch und dann anzog. Er zog sie in die Arme, und sie lehnte sich an ihn, restlos zufrieden. So könnte es für immer bleiben. Nirgends waren Dämonen, nicht im Haus und nicht in ihrem Kopf, nur warme Glückseligkeit.
Sie sammelte Mut. Der Sex war toll gewesen, aber das hier war auch unheimlich schön. Mochte er diese süße Stille ebenso oder war er nur wegen Sex hier? Es gab nur eine Methode, das herauszufinden. Sie legte den Kopf in den Nacken, obwohl sie ihn nicht sehen konnte, und fragte: »Kannst du … kannst du den Tag über bleiben ?«
»Oh ja .« Sein Bass klang weich. »So schnell wirst du mich nicht los. Aber ich muss jetzt joggen gehen. Hast du noch einen Satz Schlüssel, den du mir geben kannst, damit du nicht zur Tür laufen musst, wenn ich zurückkomme ?«
»In der Kristallschale auf dem Sideboard neben der Haustür. Ich werde so lange Harfe spielen .«
»Gut. Ich setze dich zu Dagda, dann laufe ich los. Bin in ein, zwei Stunden zurück .«
Allegra lächelte. Ein Sonntag mit Dagda und Douglas. Wie es in dem Lied hieß: Was könnte man mehr wollen?
9
Kowalski rannte und rannte und rannte. Bis er schweißgebadet war und seine Lungen brannten, bis er die Autos nicht mehr durch den Schnee an sich vorbeizischen hörte, sondern nur noch den eigenen Herzschlag im Ohr hatte.
Portland war eine hübsche kleine Stadt. Direkt am Stadtrand begann der Wald. Kowalski hätte mühelos bis dahin und noch weiter laufen können. Vielleicht sollte er genau das tun – die Beine in die Hand nehmen und die Stadt verlassen.
Doch egal wie hart und schnell er rannte, von Allegra kämeer nicht weg. Sie war in seinem Kopf, in seiner Nase, injeder Körperzelle.
Beim Joggen bekam er immer einen klaren Kopf, und am Ende des Laufs war das Problem, das ihn beschäftigte, verschwunden. Entweder war es gelöst oder er hatte entschieden, dass es gar kein Problem war.
Zumindest war Allegra ein Problem, das er nicht lösen konnte. Probleme waren Dinge außerhalb seiner selbst oder Situationen, über die man vernünftige Überlegungen anstellen konnte. Kowalski war darin immer gut gewesen. Er konnte darauf einwirken, bis sie sich seinem Wunsch anpassten.
Mit sich selbst hatte er nie Probleme. Er wusste, wer er war, was er konnte und was er nicht konnte. Er wusste, was er in seinem Leben haben und was er nicht haben konnte und hatte da nie etwas verwechselt. Er bekam immer, was er wollte, und was er nicht bekommen konnte, wollte er nicht. Das machte die Verhältnisse hübsch einfach.
Dieses neue Problem war weder einfach noch leicht. Es ließe sich nicht durch Kraft oder Geschick lösen. Er konnte nicht umgehen mit seinen schwer fassbaren Gefühlen, die ihn überkamen, wenn er an Allegra dachte.
Das war viel mehr als die Begeisterung über eine neue Sexpartnerin, auch wenn der Sex intensiver war als mit allen vorigen Frauen. Neue Bettgenossinnen wurden recht schnell alte Bettgenossinnen, doch bei Allegra würde es nicht so kommen.
Plötzlich setzte Schneegestöber ein, und Kowalski machte Halt, lief auf der Stelle, um nicht auszukühlen. Unbewusst war er zu seiner Wohnung gelaufen, wie um dorthin zu flüchten. Er sah sie vor seinem geistigen Auge: groß, kalt und leer. Dort gab es keine starken Gefühle, mit denen er nicht umzugehen wusste. Da gab es gar keine Gefühle.
Doch er wollte gar nicht in seine Wohnung zurück. Er wollte in Allegras hübschem Haus sein, ihre weiche, irisch gefärbte Stimme hören, ihren Gesang, ihr Harfenspiel. Nein, er musste ehrlich zu sich sein. Er wollte es nicht nur, er brannte darauf.
Plötzlich wurde ihm klar, während er von einem Bein aufs andere hüpfte und sich sein Atem vor ihm wölkte, dass er allein in seiner Wohnung nie wieder zufrieden sein würde. Das alte Leben, das er bisher geführt hatte, war vorbei. An seine Stelle war ein neues getreten, eines, in dem er Allegra so unausweichlich brauchte wie den nächsten Atemzug.
Das war ein ernsthaftes Problem. Nicht mal als Kind war er von jemandem abhängig gewesen, und jetzt
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