Midnight Breed 06 - Gesandte des Zwielichts-neu-ok-16.11.11
herüber, sein
Gesichtsausdruck war ernst. „Renatas Gabe ist tödlich, Claire. Damit spielt man
nicht mm, glaub mir.
Wenn sie das gegen Reichen einsetzt, könnte
sie...“
„Könnte sie was? Ihn umbringen?“ Claire fühlte,
dass sie hysterisch wurde. „Schaut ihn euch doch an!
Er stirbt sowieso. Wenn wir nicht schnell etwas
unternehmen, bringt die Pyrokinese ihn um.“
Sie schaute Renata an, verzweifelt nach jeder
noch so kleinen Chance, Andreas zu retten. „Bitte... bitte versuch es.“
Renata nickte kurz und sah dann weg, um ihre
gesamte Aufmerksamkeit auf die furchtbare Wand aus Hitze und Flammen zu
richten, zu der Andreas geworden war. Unverwandt starrte sie ihn an,
konzentrierte ihren Blick auf ihn wie mit einem Laser.
Claire spürte einen kaum wahrnehmbaren
Lufthauch, als sich aus Renatas Geist eine unsichtbare Strömung löste und ihr
Ziel erfasste.
In dem Augenblick, als sie ihn traf, bäumte er
sich auf und zuckte zurück.
Claire blieb fast das Herz stehen, als er den
Kopf in den Nacken warf und aufheulte, sämtliche Muskeln angespannt wie Kabel.
Mit beiden Händen hielt er sich den Kopf und wand sich, während Renata ihn in
der lähmenden psychischen Klammer ihres starken Geistes hielt. Andreas zitterte
und brüllte... und je mehr er sich wehrte, desto stärker begann das Glühen, das
ihn überflutete, nachzulassen.
„Mach weiter, Renata! Oh mein Gott, es
funktioniert!“
Claire hörte mehr als einen Krieger fluchen,
die wie sie fasziniert zusahen, wie Renatas geistige Druckwellen Andreas' Feuer
immer weiter löschten.
Er fiel auf die Knie, krümmte sich zusammen und
hielt sich noch immer den Kopf. Er sah aus, als litte er Höllenqualen, doch die
Hitzewellen, die seine Glieder und seinen Leib umzüngelten, wurden zunehmend schwächer.
„Bitte, Andre... halt durch“, flüsterte sie. Es
zerriss ihr das Herz, ihn so leiden zu sehen, und allmählich verlor sie die
Nerven. Doch als sie Renata gerade bitten wollte, jetzt aufzuhören, kippte er
vornüber und brach der Länge nach zusammen.
„Claire, bleib zurück!“, schrie jemand, doch
sie rannte schon zu ihm.
Sie wich den Flammen aus, die stellenweise noch
brannten, und eilte an seine Seite. Noch immer knisterte Energie auf seiner
Haut und ließ sie erschauern, doch die Glut war verschwunden. Das Feuer war
abgekühlt.
„Andre“, schluchzte sie und ließ sich neben ihm
auf die Knie fallen.
Sie bettete seinen Kopf auf ihre Oberschenkel
und streichelte ihm die bleiche Wange und die Stirn. Er war kalt. Und rührte
sich nicht.
Oh Gott.
„Andre, kannst du mich hören?“ Sie wiegte seine
breiten Schultern und beugte sich vor, um ihr Gesicht an seines zu pressen. „Andreas,
bitte stirb mir nicht.
Bitte... komm zurück zu mir.“
Sie überhäufte ihn mit Küssen und hielt ihn
fest.
Und betete, dass sie das Richtige getan hatte.
Dass er noch irgendwo da drinnen war und das Risiko, dem sie ihn ausgesetzt
hatte, nicht der schwerste Fehler ihres Lebens gewesen war.
„Andreas, ich liebe dich“, murmelte sie und
nahm undeutlich wahr, dass sich Renata, Dylan und die Krieger um sie geschart
hatten. „Du kannst mich jetzt nicht verlassen. Das darfst du einfach nicht.“
Tegan kniete sich neben sie und legte eine Hand
seitlich an Andreas' Hals. „Er lebt. Er atmet, aber er ist bewusstlos.
Immerhin, sein Puls ist stark...“
„Gott sei Dank“, flüsterte Renata und umarmte
Niko heftig, während sie mitfühlend und gleichermaßen besorgt auf Claire
hinuntersah.
„Wir müssen ihn von hier wegbringen“, sagte
Tegan und sah zu Renata auf. „Kannst du ihn unter Kontrolle halten, wenn er auf
der Fahrt nach Boston wieder zu sich kommt?“
Sie nickte. „Klar. Ich tue, was immer nötig
ist. Ich kümmere mich um ihn.“
„Komm, Claire.“ Er stupste sie sanft an, als er
in die Hocke ging, um sich Andreas' schweren Körper auf die Schultern zu
hieven, wie er es für jeden seiner verletzten Waffenbrüder getan hätte. „Ich
trage ihn zum Rover zurück. Jetzt wird alles wieder gut.“
Claire nickte benommen, und zusammen mit den
anderen machte sie sich auf den kurzen Marsch aus dem schwelenden Wald mit dem
zerstörten Bunker zu den wartenden Fahrzeugen.
Sie wollte Tegan so gern glauben. Doch als sie
in Andreas' regloses, aschfahles Gesicht sah, hatte sie das ungute Gefühl, dass
Andreas noch sehr weit davon entfernt war, wieder in Ordnung zu sein.
34
Dragos ließ sein Handy zuschnappen und steckte
es in die Tasche seiner Anzugjacke
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