Midnight Fever: Verhängnisvolle Nähe (German Edition)
fordernd. Ihm war nichts mehr recht zu machen. Nichts, was sie tat, war mehr gut genug. Er hatte Wutausbrüche und ließ sich durch nichts beruhigen, verstehst du?«
Bud nickte. Er kannte das.
»Er verlangte von ihr, eine musikalische Richtung einzuschlagen, die ihr gar nicht lag. Kannst du dir vorstellen, wie jemand mit solch einer Stimme Rap singen soll? Das verlangte er von ihr. Danach war es Hip-Hop, dann Salsa. Er probierte alles durch. Sie sollte Mainstream singen, der gar nicht zu ihr passte. Trotzdem hat sie es versucht. Sie hat sich wirklich Mühe gegeben, aber es kam nicht an. Je härter sie daran arbeitete, desto wütender wurde er. Die CD s verkauften sich nicht mehr. Konzerte wurden abgesagt, weil zu wenig Tickets verkauft worden waren. Seine Wutanfälle häuften sich.«
Oh ja. Bud kannte den Verlauf. Er wusste, wie so ein Schwächling seine Umgebung traktierte und die Schuld für das eigene Versagen anderen in die Schuhe schob.
»Sie hat damals mit uns darüber gesprochen, mit Suzanne und mir. Ich bin keine Geschäftsfrau, aber Suzanne. Sie ist eine ganz taffe Person, obwohl man ihr das nicht ansieht, und sie riet Allegra, sich von dem Manager zu trennen. Er zog sie mit runter. Allegra beschloss, aus dem Vertrag auszusteigen. Der hatte eine Klausel, die das zuließ.« Claire schüttelte bewundernd den Kopf. »Darum hatte sich Suzanne bei Vertragsabschluss gekümmert. Jedenfalls nahm Allegra ihren Vater mit, als sie dem Manager sagen wollte, dass sie den Vertrag kündigte.«
Sie stockte. Bud wartete ein paar Augenblicke, dann rüttelte er sie sacht an der Schulter. »Und?«
Claire holte bebend Luft. »Und … ich weiß es nicht genau. Allegra spricht nicht darüber. Sie kann sich nicht erinnern. Aber an dem Tag bekamen Suzanne und ich gegen Mitternacht einen Anruf vom Krankenhaus. Man hatte in Allegras Handtasche unsere Telefonnummern gefunden. Eine Schwester hat uns informiert.«
Oh Gott. Bud schloss die Augen. Unwillkürlich kam ihm die Erinnerung an seine Mutter, die immer wieder von seinem Stiefvater krankenhausreif geschlagen worden war. Er wusste genau, welchen Ton die Krankenschwester gewählt hatte – forsch, nüchtern, mit leisem Mitgefühl hinter der Schroffheit.
»Allegras Vater war tot. Er war gefallen und mit dem Kopf gegen einen Glastisch geprallt, behauptete der Manager. Allegra erinnerte sich an gar nichts. Sie weiß nur, dass sie eine Woche später in der Klinik zu sich kam, mit Drähten im Kiefer, einer starken Hirnblutung und blind.«
Bud biss die Zähne zusammen. Das war die älteste Geschichte der Welt, aber sie setzte ihm jedes Mal von Neuem zu. »Wie heißt das Ar… Wie heißt der Kerl?«
Wieder sah Claire ihn neugierig an, beantwortete aber die Frage. »Corey Sanderson. Wie gesagt, in den Achtzigern war er eine Berühmtheit. Das hat ihn wohl gerettet. Sein Anwalt konnte einen Deal aushandeln. Er sagte, Allegras Vater sei nur unglücklich gestürzt und sein Mandant hätte ein Problem mit der Selbstbeherrschung. Allegra konnte nichts aussagen, da sie sich nicht erinnerte. Sie lag ohnehin noch im Krankenhaus und konnte mit dem operierten Kiefer nicht sprechen. Sie ist erst seit Kurzem wieder auf den Beinen.«
»Was hat er bekommen?«
»Du meinst, als Strafe?«
Bud nickte mit einem Kloß im Hals. Ja, als Strafe. Sein Stiefvater hatte für den Mord an seiner Mutter kaum gesessen.
»Sieben Jahre, soviel ich weiß. Für Totschlag und Körperverletzung. Außerdem muss er sich einer Psychotherapie unterziehen. Er ist in einer psychiatrischen Anstalt.«
Corey Sanderson. Bud merkte sich den Namen dieses Arschlochs. Er würde sich die Akte und die Beweise mal vornehmen. Das klang ihm nach schludriger Polizeiarbeit. Als wäre da ein Mann mit einem Mord davongekommen. Er war fest entschlossen, sich den Fall genau anzusehen, obwohl schon klar war, was abgelaufen war. Dieser Sanderson hatte sich einen guten Anwalt genommen, während Allegra Ennis nicht in der Lage war auszusagen. Er hatte die Kohle gehabt, um sich den besten Anwalt zu leisten, und der hatte ein leichtes Strafmaß erzielt. Bei Totschlag und schwerer Körperverletzung hätten eigentlich mindestens fünfzehn, zwanzig Jahre in einem Bundesgefängnis herausspringen sollen, nicht sieben in einer angenehmen Klinik. Ganz zu schweigen davon, dass der Kerl eine Mordanklage hätte kriegen müssen. Vielleicht hatte er den Mord sogar geplant. Hatte den Vater beseitigen wollen, um mit seiner renitenten Künstlerin leichteres
Weitere Kostenlose Bücher