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Miese Chefs

Miese Chefs

Titel: Miese Chefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan White
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als Weichei extra Mühe geben, um die Bedürfnisse der unterschiedlichen Spieler zu verstehen und eine Möglichkeit zu finden, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Und Stalin tat auch einiges davon, aber Stalin war kein Weichei. Er war willens, alles zu tun, um seine Rivalen in eine Spitzenposition zu manövrieren, kannte er doch die schreckliche Floskel, die vielleicht auch den anderen bekannt war (immerhin hatten sie alle einen blutigen Bürgerkrieg überlebt), dass es viel leichter ist, andere schlecht aussehen zu lassen als sich selbst gut.
    Spielen Sie nicht, um zu gewinnen. Spielen Sie, um nicht zu verlieren. Stalin sah zu Recht in Trotzki die größte Bedrohung und machte sich daran, ihn zu unterminieren. Auf Grundlage der Weisheit »Der Feind meines Feindes ist mein Freund« arbeitete er mit Kamenew und Zinowjew zusammen, wobei man zu dritt nach außen als geeinte Front angesichts der unsicheren Lage von Lenins Gesundheitszustand auftrat. Lenin war kein Freund von Parteienbildung, und so waren die Anhänger Trotzkis isoliert, sodass es gelang, sie als Abweichler dastehen zu lassen. So wie Stalin die Sache darstellte, war Trotzki derjenige, der einem sterbenden Helden seinen letzten Wunsch verwehren wollte.
    Es ist wesentlich leichter, andere schlecht aussehen zu lassen als sich selbst gut.
    Lenin starb 1924, nachdem er jahrelang an Arterienverkalkung gelitten hatte. Stalin überwachte persönlich Lenins Himmelfahrt auf den mystischen Posten des bolschewistischen Messias, baute ihm ein Mausoleum und ließ ihn auf der Wissenschaft bislang unbekannte Weise einbalsamieren, sodass sein Körper für immer erhalten bliebe. Dann richtete er seine gesamte Arbeitswut darauf, die Meinungsverschiedenheiten zwischen Trotzki und Lenin aufzubauschen, die natürlich, tot, wie er war, keine Möglichkeit hatten, noch irgendetwas richtigzustellen.
    Ein Schlüsselereignis in diesen Tagen war Lenins Begräbnis, zu dessen Anlass die Partei und das ganze Land das Hinscheiden einer Ikone und Legende des Kommunismus betrauerten. 1996 veröffentlichte Edward Radzinsky seine Stalin-Biografie und verwendete dabei Quellenmaterial aus bislang geheimen Sowjetarchiven. (Wenn Sie mehr über Stalins Gewaltherrschaft erfahren wollen, sollten Sie hier mit Ihrer Suche beginnen). Ein Telegramm von Stalin an Trotzki aus der Zeit enthüllt die Gründe, aus denen es Trotzki unmöglich war, an Lenins Beisetzung teilzunehmen:
    »Die Beerdigung ist am Samstag, du wirst nicht rechtzeitig ankommen. Das Politbüro ist der Meinung, dass es angesichts deines Gesundheitszustands unerlässlich ist, dass du nach Sukhumi gehst. Stalin.«
    Trotzki war selbst nicht bei bester Gesundheit, und in Sukhumi gab es ein Heilbad, wo er eine Kur machen sollte. Vielleicht dachte Stalin also nur an Trotzkis Gesundheit? Das ließe sich annehmen, wenn das Begräbnis tatsächlich an einem Samstag stattgefunden hätte. Doch in Wahrheit war das Begräbnis für Sonntag angesetzt und Trotzkis Abwesenheit war ein Schandfleck auf seinem Namen, von dem er sich niemals würde reinwaschen können. Von da an wurde Trotzki regelmäßig von Stalin und seinen Verbündeten als »Oppositioneller« bezeichnet, was 1928 in seiner Verbannung und später in seiner Ermordung mit dem berühmten Eispickel 1940 in Mexiko gipfelte.
    Kamenew und Zinowjew wurden 1936 auf Stalins Befehl hin erschossen, der Anklagepunkt war die erfundene Formung eines terroristischen »Zentrums« (alles eine List Stalins, in den 1980er-Jahren wurden beide von jeglicher Beteiligung freigesprochen). 1925 sah sich Stalin der Frage gegenüber, wie er die beiden entmachten sollte. Er fand seine Rechtfertigung in Bukharin und wandte dieselbe List an, die schon bei Trotzki funktioniert hatte. Zinowjew und Kamenew waren beide Gegner von Bukharins eher rechtslastiger Position. Stalin bezeichnete sie wiederum als Oppositionelle und beschuldigte sie, einen Keil in die Partei zu treiben. Zinowjew wurde der Leitung der Komintern enthoben und Kamenew als Botschafter ins Ausland geschickt. Gleichzeitig machte Stalin Bukharin zu seinem Favoriten in der Partei. Dieser war keine ernste Bedrohung für ihn, aber er war das letzte der Schwergewichte, die noch aus der Zeit übrig waren, in der Stalin um sein Leben und die Parteiführung kämpfen musste.
    Und es sollten ebenjene rechtsgerichteten Tendenzen sein, denen sich zu widersetzen Stalin Kamenew und Zinowjew angeklagt hatte, die Bukharin schließlich ins Gefängnis brachten, wo er 1938

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