Miese Stimmung: Eine Streitschrift gegen positives Denken (German Edition)
Fragen aufkommen: Was ist der Lohn der Leistung? Was ist überhaupt Leistung, und was ist Lohn, und in welchem Verhältnis sollten denn die beiden zueinander stehen? Warum eigentlich »wieder«? Hat sie sich etwa einmal (früher) gelohnt, die Leistung? Lohnt die Leistung sich inzwischen nicht mehr? Soll es so werden, wie es schon einmal war?
Fragen über Fragen. Versuchen wir ein paar Antworten!
Schon die Frage, was Leistung eigentlich ist, kann unterschiedlich beantwortet werden. Leistung kann das Maß der Erfüllung von Zielvorgaben sein: zum Beispiel eine bestimmte Anzahl von Anträgen/Akten ab- oder durcharbeiten. Leistung kann die Menge an Arbeit in einer bestimmten Zeiteinheit sein: etwa eine bestimmte Anzahl von Schrauben in einer Stunde eindrehen. Leistung kann aber auch eine bestimmte Zeiteinheit sein, die man an einem bestimmten Ort verbracht hat: zum Beispiel acht Stunden als Pförtner in einer Pförtnerloge sitzen. Der Lohn, wofür sich also Leistung wieder lohnen soll, kann etwas Nichtmaterielles sein: ein Dankeschön, Anerkennung, Ansehen, Prominenz, aber auch der Verzicht darauf, bestraft zu werden, und vieles mehr. In den meisten Fällen wird mit Geld entlohnt. Geld hat den Vorteil, dass es auch Unvergleichliches vergleichbar macht und über den zugesprochenen Wert einer Sache, aber eben auch einer Leistung informiert. Geld legt Rückschlüsse über den Wert dieser Sache oder Leistung nahe. Geld oder der Lohn sollen einen Ausgleich, nach Möglichkeit einen gerechten Ausgleich, für die geleistete Leistung schaffen – Leistung für Gegenleistung. Für diesen Ausgleich kann es Vereinbarungen geben. Solche Vereinbarungen sind Ausgleichsverträge.
Der angestrebte Ausgleich stellt also in gewisser Weise eine Art von Wiedergutmachung oder ein Vergelten dar. Unter der Voraussetzung, dass der belohnte Aufwand oder das honorierte Ergebnis willentlich und bewusst durchgeführt oder herbeigeführt wurde. Es stellt sich schließlich noch die Frage, wer wen belohnt. Hier lassen sich prinzipiell diejenigen, die von anderen belohnt werden, unterscheiden von denen, die sich selbst belohnen. Damit sich nun Leistung wieder lohnt, sollte es zu einem gerechten Ausgleich kommen, so dass der Lohn für den Leistungsaufwand dem Aufwand oder das Honorar dem erarbeiteten Produkt entspricht. Überprüfen wir diese Antworten an den tagtäglich erfahrenen Leistungs- und Belohnungswirklichkeiten:
Wie soll ein Altenpfleger einsehen, dass er weniger leistet als Dieter Bohlen? Kann er es überhaupt einsehen? Der Altenpfleger leistet viel mehr an Arbeitsaufwand pro Zeiteinheit als Dieter Bohlen! Aber es gibt natürlich Unterschiede, markante Unterschiede. Wer ist schon daran interessiert, Tribünen in einem Alten- und Pflegeheim aufzubauen, dort Fernsehkameras zu installieren und das Ganze bei RTL als »Deutschland sucht den Superaltenpfleger und die Superdemenz« zur besten Sendezeit zu übertragen? Die Tickets für die Tribünenplätze im Altenheim werden sich wahrscheinlich schlecht verkaufen lassen.
Der Altenpfleger hat ganz einfach einzusehen, dass sich das Blendende, Eloquente und die Verpackung besser verkaufen lassen und besser honoriert werden als die schlecht verpackten, manchmal unappetitlichen Inhalte seiner Arbeit. Er wird dann auch bald einsehen, dass der Erfolgreiche immer erfolgreicher und der Beförderte immer weiter befördert wird.
Wer Hoffnung hat, es dennoch schaffen zu können, ist maßlos schlecht informiert:
Ein Altenpfleger mit einem Brutto-Durchschnittsgehalt von 1700,– € im Monat müsste 468 Jahre arbeiten, um auf das Jahresgehalt des Deutsche Bank Chefs Josef Ackermann (9,5 Millionen €) zu kommen. [67] Umgekehrt bedeutet dies, dass Herr Ackermann in etwa 20 Minuten so viel gearbeitet hat, wie ein durchschnittlicher Altenpfleger in einem Monat. Wie schafft der Mann das bloß? Fast 500 Jahre müsste unser Altenpfleger gar arbeiten, wenn er auf das Jahresgehalt von Carsten Kengeter (10,1 Millionen €) kommen will. Kengeter ist einer der beiden Chefs der UBS, der größten Schweizer Bank. Die Bank hat für das Jahr 2009 so viele Boni (3 Milliarden Franken, ca. 2,3 Milliarden Euro) für Mitarbeiter zurückgestellt, wie sie in der Summe an Verlust gemacht hat (2009: 2,74 Milliarden Euro). Die Gehälter der TOP-Manager haben sich (laut UBS) 2009 mehr als versiebenfacht. Die größte Schweizer Bank konnte nur mit Staatshilfe vor dem Untergang gerettet werden. [68]
Geradezu
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