Mika, Bascha
freiwilligen
Unterwerfung nachgespürt. 15 Sie beschreibt, wie Liebe und Herrschaft
zusammenwirken:
Warum die
Beherrschten sich an diesem System beteiligen und die Herrschaftsbeziehung
eingehen. Ihr Buch Die Fesseln der
Liebe ist der Versuch, mit psychoanalytischem Handwerkszeug und
aus weiblicher Perspektive zu klären, weshalb das Leid der Folgsamkeit für
Frauen weniger erschreckend ist als das Leid der Freiheit. Und wie Frauen zu
Komplizinnen der männlichen Macht werden, obwohl die modernen
Geschlechterrollen doch so flexibel scheinen.
Frauen,
sagt die Analytikerin, engagieren sich für Gleichheit und Unabhängigkeit, aber
mit ihrem Verhalten konterkarieren sie gleichzeitig diesen Anspruch. Sie leben
in Ohnmacht und Unterwerfung und tarnen dies als Autonomie.
Das
Geschlechterverhältnis ist für Jessica Benjamin vom Konflikt zwischen Autonomie
und Abhängigkeit geprägt. Dabei sind die Rollen von Herr und Knecht zwar nicht
per se männlich (Herr) und weiblich (Knecht). Doch unter den bestehenden
Bedingungen bilden sie die Tiefenstruktur der Beziehungen. Weibliche Unterordnung,
so die Autorin, hat mit einer frühkindlichen Prägung zu tun, mit der Beziehung
zu Mutter und Vater. In den Familienstrukturen sieht sie die Wurzeln — sowohl
der freiwilligen Unterwerfung, die das Ergebnis eines nicht gelungenen
Ablösungsprozesses ist, als auch der idealisierenden Liebe, die sich in der
unterwürfigen Verehrung der Frau für den heroisierten Mann zeigt.
Dessen
Macht, analysiert Jessica Benjamin, weckt Furcht und Anbetung zugleich. Frauen
sind in die Macht verliebt, identifizieren sich mit dem Mächtigen und
erniedrigen sich zu seinem willigen Diener und Stellvertreter. Herrschaft ist
damit keine simple Beziehung von Tätern und Opfern, denn die Unterdrückten
wirken an ihrer Unterjochung mit und sonnen sich im Abglanz der Macht. Frauen
reproduzieren auf diese Weise die Verhältnisse und verewigen die Herrschaft,
statt sie aufzubrechen.
Wer die
freiwillige Unterwerfung von Frauen leugnet, kann männliche Herrschaft nicht
ergründen. Und doch wird dieser Komplizenschaft nicht genügend Beachtung
geschenkt, kritisiert die Analytikerin. Aus Furcht, glaubt sie. Aus der falsch
verstandenen Sorge, dass Männer entlastet wären und den moralischen Sieg
davontragen könnten, wenn Frauen ihre Beteiligung an den
Herrschaftsverhältnissen eingestehen.
Doch
Jessica Benjamin hat nicht resigniert. Am Schluss ihrer großartigen Analyse
unterstreicht sie: Die Kräfte, die Frauen in Unterordnung drängen, sind
verstehbar, wir können ihnen entgegenwirken. Freiwillige Unterwerfung ist kein
unabänderliches Schicksal, wenn wir uns beherzt der Freiheit aussetzen - dem
Schock der frischen, kalten Außenwelt.
Die List
Wenn die
Liebe idealisiert wird — wie bei Anne, Katja, Beate und Linda -, schlägt die
Geschlechterordnung voll durch. Dann machen Frauen sich sehr klein und den Mann
übergroß. Sie denken nicht mehr »ich will«, sondern »er will«. Sie verlieren
sich in der Identifikation mit dem mächtigen Mann. Sie glauben, er werde ihnen
den Zugang zu einer Welt vermitteln, die ihnen sonst verschlossen bleibt.
Deshalb fällt es Frauen nicht schwer, ihren Narzissmus aufzugeben. Doch diese
Selbstaufgabe der Frau, so die psychologische Erklärung, ist nur der
deformierte Ausdruck ihres heftigen Willens zum Sein.
Schlichter
gesagt: Der Mann soll uns einen Weg ins Leben bahnen, damit wir das nicht
selbst tun müssen. Eigentlich wollen wir mächtig sein. Doch wir trauen uns
nicht, dieses menschliche Verlangen offen zu befriedigen - sondern gehen ihm
nur verquer und versteckt hinter dem breiten männlichen Rücken nach.
Und der Trick
dabei: Die Liebe ist der Allzweckreiniger für unser schlechtes Gewissen. Mit
Liebe rechtfertigen wir unsere freiwillige Unterwerfung. Sind wir nicht
machtlos, wenn unsere Herzen gekapert werden? Sind wir nicht blind vor Leidenschaft,
sodass wir die Schlingen nicht sehen, mit denen wir uns selbst fesseln?
Wir
schieben einfach alles auf unser Gefühl. Die Liebe ist schuld, dass wir uns
nach dem Mann ausrichten und ganz auf ihn einstellen. Sobald Verliebtheit ins
Spiel kommt, scheint das nur allzu verständlich. Vor Liebe schwach zu werden,
ist auch für uns Zeitgenossinnen erlaubt, weil sehr weiblich. So wird die alte
Geschlechterordnung im Liebesrausch weitergetragen, und das überkommene
Rollenmodell setzt sich durch. Die Herrschaft zieht ein in die Herzen der
Beherrschten.
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