Mika, Bascha
Liebe rechtfertigen wir, dass wir unser Selbst nicht behaupten. Und
alles wird mit Kitsch und Romantik zugekleistert, damit bloß niemand merkt,
was da wirklich passiert.
Die Mutprobe
Wie wir
uns in der Liebe verhalten, welchen Mann wir wählen - kaum eine andere
Entscheidung hat so gravierende Folgen für eine Frau. Diese Schnittstelle im
Leben ist gleichzeitig eine, an der wir Mut beweisen müssen. Sind wir bereit,
unsere Eigenständigkeit zu erhalten, auch für sie zu kämpfen, oder werfen wir
sie auf den Beziehungsmist?
Seit
Jahrzehnten beklagen wir, dass die männerdominierte Gesellschaft uns unten hält
und uns keine Chance auf ein gleichberechtigtes Leben gibt. Es sind die
Strukturen - die sind schuld! Ach so. Und was ist mit uns?
Leben wir
etwa in einer Diktatur, die sich in unsere Privatsphäre einmischt und unsere
Lebensplanung bestimmt? Sind es etwa die Strukturen, die uns einen Mann
aufzwingen und festlegen, wie wir unsere Zweisamkeit gestalten?
Vor gut
hundert Jahren hätten wir uns mit den Verhältnissen rausreden können. Am i.
Januar 1900 trat ein Familienrecht in Kraft, das die Ungleichheit der
Geschlechter festschrieb. 16 Der Mann hatte juristisch die Herrschaft
über Frau und Familie. Er war ihr Versorger und bestimmte alles — und zwar
allein. Er bestimmte den Wohnsitz und bestimmte über die Finanzen. Die Frau war
verpflichtet, den Haushalt zu führen. Sie durfte nur erwerbstätig sein, wenn
ihr Mann es erlaubte; er konnte ihre Arbeitsstelle kündigen, ohne sie auch nur
zu fragen. Er verwaltete das Geld seiner Frau und war dessen Nutznießer, sie
konnte weder über ihr Vermögen noch über ihr erarbeitetes Einkommen verfügen.
Sie war absolut abhängig.
Betrachtet
man diese Zustände, haben Frauen seitdem nicht nur einen weiten Weg
zurückgelegt, sondern sogar mehrfach die Welt umrundet. Doch manchmal gewinnt
man den Eindruck, als wäre das gesellschaftliche Leitbild vorangeprescht und
hätte die Frauen an der Haltestelle zurückgelassen. Ihre Alltagsrealität und
ihre innere Verfassung entsprechen nicht dem öffentlichen Gleichheitsgerede.
Lore Maria
Peschel-Gutzeit ist Juristin und SPD-Politikerin. Viele Jahre war sie
Justizsenatorin in Hamburg und Berlin. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit: die
rechtliche Gleichstellung von Frau und Mann. Sie hat einen scharfen Verstand
und lässt sich nicht leicht einschüchtern. Wahrscheinlich konnte sie nur
deswegen die sogenannte Lex Peschel durchboxen, ein Gesetz, das Beamtinnen und
Richterinnen die Möglichkeit gibt, aus familiären Gründen in Teilzeit zu
arbeiten und Familienurlaub zu nehmen.
Die
Anwältin Peschel-Gutzeit ist auf Familienrecht spezialisiert und damit quasi
Expertin für Brüche in Lebensgeschichten. Sie glaubt, dass Frauen anfällig
sind für alte Rollenmuster, weil sie sich zu wenig Gedanken über die Zukunft
machen. »Männer planen ihr Leben, Frauen nicht. Männer haben meist eine
Vorstellung davon, wo sie hinwollen und was sie erreichen möchten.« Sie würden
es nicht gerade aufschreiben, hätten es aber trotzdem im Kopf.
»Bei
Frauen ist das anders. Da gibt es die Tradition, und ihr Weg ist schon
vorgedacht. Da brauchen sie selbst nicht mehr lange zu überlegen. Und wenn sie
dann einen Mann kennenlernen, mit dem sie leben wollen, laufen sie weiter nach
einem Muster, das seit Langem existiert, und die Mutter war auch schon so. Sie
erkennen oft noch nicht einmal, dass es sich dabei um eine wichtige Wegmarke
handelt.«
Die
Anwältin beobachtet, dass Frauen die größte Mühe haben, ihre Stärke und Selbstständigkeit
in der Beziehung aufrechtzuerhalten. »Viele Frauen haben ein ihnen selbst
nicht bewusstes Bedürfnis, in der Partnerschaft nicht den Ton anzugeben. So
wie es das uralte Rollenmodell vorsieht. Da frage ich ein Paar, wie es dieses
oder jenes regeln will, und dann sehen viele Frauen ihren Mann an und fragen:
>Was meinst du denn, Schatz?< Oder in Fällen, wo beide entscheiden
müssen, erlebe ich immer wieder, dass die Frau sagt: Nö, das überlass ich meinem
Mann. Damit muss ich mich nicht beschäftigen.«
Mit
solchen Reaktionen gibt sich Lore Maria Peschel-Gutzeit nicht immer zufrieden.
Zumal, wenn sie weiß, dass sie es mit Frauen zu tun hat, die vor ihrer Ehe
allein gelebt haben, mit eigenem Geld und selbstständig. Also fragt sie nach.
Und bekommt mehr als einmal zur Antwort: »Ach, mein vorheriges Leben, in dem
ich für alles verantwortlich war, hab ich ganz gern aufgeben. Das war mir oft
auch
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