Milano Criminale: Roman (German Edition)
»Bringt ihn weg.«
»Warum wegbringen?«, protestiert der Bandit, als zwei Beamte ihn hinausschleifen. »Ich bin unschuldig!«
Sein Gezeter setzt sich im Treppenhaus fort, so dass Antonio die Stimme erheben muss, als er sich an Nina wendet.
»Zieh dich an«, sagt er. »Du musst auch mit auf die Questura.«
Pugliesi wartet, bis die Frau in ihrem Zimmer verschwunden ist, dann sagt er: »Sind wir hier fertig?«
»Nein, lass zwei Männer hier, die die Wohnung auf den Kopf stellen. Wenn hier irgendetwas versteckt ist, müssen sie es finden, verstanden?«
10
Es ist warm in Santis Büro, die Heizungen bollern. Die früheren Kinder aus der Via Osoppo und vom Giambellino sitzen einander gegenüber: der Bulle und der Bandit. Beide haben ihre Jacke ausgezogen. Roberto sieht Antonio direkt in die Augen. Pugliesi steht etwas abseits an der Tür.
Alle schweigen, bis sich Vandelli eine Zigarette anzündet, als sei es das Natürlichste auf der Welt.
»Ich darf doch?«, fragt er großkotzig mit Blick auf die Fluppe. Die erste Rauchwolke entsteigt seinem Mund, und er spielt den Unbeteiligten, indem er Rauchkringel in die Luft bläst.
Santi bleibt unbeeindruckt, das Spiel macht er nicht mit.
»Da ist der Aschenbecher«, sagt er trocken.
Sein Gegenüber nickt. Plötzlich hat er es nicht mehr eilig.
Pugliesi öffnet das Fenster einen Spalt breit, um Frischluft in den Rauch und die Wärme zu leiten.
»Ihr wollt mich doch jetzt nicht aus dem Fenster werfen, oder?«, meint der Gangster ironisch.
Die beiden Polizeibeamten reagieren nicht auf die Provokation.
»Also, Vandelli, was ist nun?«, fragt Santi schließlich.
Als Antwort erhält er nur ein Schulterzucken.
Pugliesi hat sich die Akte des jungen Mannes angesehen: eine nicht eben reine Vorstrafenweste, Haftstrafen im Beccaria und später in San Vittore. Einer der vielen Kleinkriminellen also, nichts Besonderes, auch wenn er dem Äußeren und seinem Gebaren nach mit Rauchkringeln und allem irgendwie anders zu sein scheint als der Rest. Und auch Santi kommt dieser Verbrecher hier besonders vor, als stecke etwas Persönliches hinter der ganzen Geschichte.
»Lass uns über deine Wohnung reden«, setzt der Commissario erneut an.
»Bitte.«
»Völlig überdimensioniert für einen mit deiner sozialen Herkunft. Wir haben uns gefragt, ich und mein Kollege, wie du dir den ganzen Luxus leisten kannst.«
»Indem ich Flipper spiele, Commissario«, erwidert Vandelli lächelnd.
Auch Santi lächelt.
»Dann müsst ihr aber wirklich gut im Flipperspielen sein, du und deine Gang, sonst hätte sich doch dein Freund Romolino nicht gerade erst einen Porsche gekauft.«
»Ein echter Glückspilz.«
Santi und Pugliesi wechseln einen Blick. Den Banditen scheint nichts aus der Ruhe zu bringen.
»Eins aber verstehe ich nicht«, fährt Antonio fort.
»Und das wäre?«
»Sieh mal, du besitzt eine schöne Wohnung, verkehrst mit einer Menge reicher Leute und verbringst deine Freizeit in Nachtclubs, Restaurants und auf Spritztouren an die Côte d’Azur. Was ich nicht kapiere, ist aber, womit genau du dir deinen Lebensunterhalt verdienst?«
»Ach, Commissario, mal mit diesem, mal mit jenem, das ist doch kein Verbrechen, oder?«
Santi beschließt, sich der Sache von einer anderen Seite her zu nähern.
»Du kennst Signor Remo Beretta?«
»Ich hatte noch nicht das Vergnügen. Wer ist das?«
»Das ist der Pförtner des Wohnhauses in der Via Ciardi 25.«
Roberto schüttelt den Kopf.
»Kenn ich nicht. Welche Gegend ist das?«
»San Siro, aber der Punkt ist folgender: Gestern Morgen, ein paar Stunden nach dem Raubüberfall auf den Supermarkt in der Via Monte Rosa, haben Signor Beretta und andere Hausbewohner ein Pärchen gesehen, das sich auffällig nahe an den Mülltonnen ihres Wohnhauses herumtrieb. Komisch, oder?«
»Finde ich nicht. Warum erzählst du mir das?«
»Na ja, unser guter Beretta hat in den Mülltonnen ein paar Sachen gefunden, Waffen, Pullis, Sturmhauben und nicht weniger als elf Millionen Lire: alles Zeug, das meiner Meinung nach auf direktestem Weg aus der Via Monte Rosa kam.«
Von Roberto keine Reaktion, der sich mit dem immer gleichen Lächeln im Gesicht über den Schreibtisch beugt, nicht um die Zigarette auszudrücken, wie die zwei Bullen erwarten, sondern um den Zettel aufzunehmen, der gut sichtbar vor dem Commissario liegt.
Zufrieden wedelt er damit vor Santis Nase hin und her.
»Wenn ich herausfinde, wer dir das geschrieben hat, werde ich ihm dazu
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