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Milchbart (German Edition)

Milchbart (German Edition)

Titel: Milchbart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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spannte sich nur noch Haut über ihre Knochen, eine dünne, gelbliche Haut, die aussah wie zerknittertes Pergament.
    »Käse-Krabben-Toast«, schoss es plötzlich aus Hildes Mund wie aus einem Gewehrlauf.
    »Dazu grüner Tee Natur?«, fragte Elisabeth, obwohl sich auch das seit dem erstem Treffen der drei Damen im Krönner nicht geändert hatte.
    Hilde deutete ein Nicken an und fasste Wally ins Auge. »Wally.« Es klang wie eine Drohung.
    Thekla seufzte. Nicht einmal Hilde würde abwenden können, was jetzt anstand.
    Wally machte bereits: »Oh.«
    Elisabeth neigte sich zu ihr hin. »Die Prinzregententorte ist heute wieder besonders saftig, Frau Maibier.«
    »Oh nein«, entfuhr es Wally, während sich ihre Hände wie schützend auf den Speckwulst legten, der ihre Taille wie eine eingerollte Markise umgab.
    Die Natur ist ein boshafter Gestalter, dachte Thekla, während sie Wallys Bestellung abwartete. Statt ihr ein Kinn zu bewilligen, hatte sie Wally um Bauch und Hüften Fettpolster ansetzen lassen, die tüchtigst gediehen, weil die Ärmste auch noch mit einem unstillbaren Hunger nach Süßem geschlagen war.
    Thekla glaubte, Mitleid in Elisabeths Stimme mitklingen zu hören, als sie sagte: »Wie wär’s mit einer Krönner-Waffel, Frau Maibier? Da stecken kaum Kalorien drin.«
    Wally machte ein Gesicht, als hätte man sie auf Wochen hinaus zu Wasser und Brot verdammt, und nickte fügsam.
    »Und dazu eine schöne heiße Schokolade«, fuhr Elisabeth liebenswürdig fort.
    »Mit Sahne«, flüsterte Wally.
    »Mit Sahne«, bestätigte Elisabeth verschwörerisch lächelnd, wandte sich ab und steuerte auf die Theke zu. Wallys Stimme holte sie nach zwei Schritten ein.
    »Zur Krönner-Waffel bitte ein Stück Prinzregententorte.«
    Thekla beobachtete, wie Hilde die Augen verdrehte. Arme Wally. Was Hilde zur eben ausgesprochenen Bestellung zu sagen hatte, würde bestimmt wehtun. Thekla empfand beinahe Mitleid mit Wally, obwohl sie selbst oft wenig einfühlsam mit ihr umsprang.
    Man sollte sie in Frieden lassen, dachte sie. Wally hatte schon genug unter der eigenen Gewissenspein, unter der Verachtung ihres Mannes und unter dem Gespött ihrer Familie zu leiden.
    Wie sich zeigte, beabsichtigte Hilde jedoch keineswegs, Wally wegen der Prinzregententorte zu rüffeln. Stattdessen wiederholte sie in einem Ton, als hätte sie eine Klasse unaufmerksamer Schüler vor sich: »Der Dichter ist tot. Gestern ist er gestorben, in der Blüte seiner Jahre.«
    Thekla prustete. »Jahre sind wirklich das Einzige, was bei dem geblüht haben mag.« Dann fügte sie ernst hinzu: »Dieser Schmierfink war ja zu seinen Lebzeiten bereits eine Leiche – eine Schnapsleiche ohne Talent und ohne Charisma.«
    Hilde warf ihr einen derart erzürnten Blick zu, dass Thekla beinahe zusammenzuckte. »Ein bisschen Respekt vor einem Verstorbenen wäre doch wohl angebracht, Thekla – Kruzitürken.«
    Thekla staunte. Seit wann, fragte sie sich, legt Hilde Wert auf pietätvolles Totengedenken? Seit wann macht sie sich mit einem »Kruzitürken« dafür stark? Nicht dass Fluchen bei ihr ungewöhnlich gewesen wäre – aber trotzdem. Hat sie ihn etwa heimlich verehrt, diesen großtuerischen Schwafler?
    Bevor sie diesem Gedanken nachgehen konnte, kehrte Elisabeth bereits wieder an den Tisch zurück und begann zu servieren.
    Wally nahm einen mit Kuchen überladenen Teller in Empfang. Während sie die üppigen Buttercremeschichten in ihrem Stück Prinzregententorte bereits mit den Augen verschlang, seufzte sie theatralisch: »Er hat doch so herrliche Gedichte geschrieben …!«
    Thekla wand sich, als habe sie Bitterwurzel geschluckt, und sämtliche guten Vorsätze – nämlich Nachsicht und Toleranz gegenüber Wally zu üben – machten sich wie von Furien gehetzt aus dem Staub. Das geschah immer dann, wenn Wally anfing, für Kitsch und Schund zu schwärmen. Genauer gesagt für das, was Thekla dafür hielt.
    Theklas Stimme troff vor Hohn, als sie deklamierte: Dunkle Schwaden entweichen feuchten Auen. Betäubt vom Nebel stirbt der September.«
    Hilde legte das Besteck, mit dem sie sich gerade über ihren Käse-Krabben-Toast hermachen wollte, auf die Serviette zurück. »Mangelndes Verständnis für Lyrik gibt dir noch lange nicht das Recht, dich über die Dichtkunst lustig zu machen«, sagte sie streng.
    »Ich«, antwortete Thekla und machte nach jedem Wort eine greifbare Pause, »habe – nur – zitiert.«
    Wally leckte den Löffel ab, mit dem sie die Sahnehaube in ihrem Kakao

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