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Milchblume

Milchblume

Titel: Milchblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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damit Jakobs Hand, weich, nass und langsam wenige Zentimeter auf und ab, »also Jakob, bis nächsten Sonntag.«
    Jakob senkte den Kopf, und es gab wenige Anlässe, bei denen er drängender zu Gott betete als diesen, da der Pfarrer seine Hand umklammert hielt. Er betete inniglich zu Gott, ganz inniglich, auf dass er diese Strafe bitte, bitte rasch enden lassen möge.
    »Du kommst doch auch sicher, nächsten Sonntag?«, wollte der Pfarrer wissen, »Nicht wahr, mein Sohn?«
    Jakob nickte, rasch und heftig. Er hatte das Gefühl, nun bereits durch und durch vom schweren Gift des Pfarrers infiziert zu sein. Er spürte es in seinen Adern. Im ganzen Körper. Jakob fieberte, und es wurde ihm schwindlig.
    »Das ist gut Jakob, das ist sehr, sehr gut. Du wirst sehen, die Beichte befreit dich. Der Herrgott wird dich seine Güte spüren lassen, durch meinen Segen.«
    Jakob hielt weiter den Kopf gesenkt, starrte auf den gestärkten, weißen Hemdärmel, der unter der pechschwarzen Pfarrerskutte hervorblitzte.
    »Fadenscheinig«, sagte Jakob plötzlich sehr deutlich. »Fadenscheinig«, wiederholte er, abermals laut und deutlich.
    »Was in Herrgotts Namen erlaubst du dir!«, schrie der Pfarrer, mit einem Mal jede samtene Freundlichkeit vergessend.
    »Ihr Hemdsärmel, Herr Pfarrer, ihr Hemdsärmel ist fadenscheinig.«
    »Ach ja«, bemerkte der Pfarrer, »tatsächlich.«
    Als er wieder aufblickte, sah er Jakob davonjagen. Seine Fersen flogen im aufkommenden Abendwind.
    Am Gehöft wurde er schon erwartet. Griesgrämig vom Huber-Bauern. Sehnlichst von ihr. »Wo bleibst du denn!«, schimpfte der Bauer. »Meine Alte nervt mich schon eine halbe Stunde lang. Sagt, es ist höchste Zeit, dass das Kraut eingehobelt wird.«
    Als Jakob seinen Kopf einzog, um in die Küche zu treten, sah er den großen Krauthobel bereits ans Holzfass gelehnt. Eine Welle warmer Luft schlug ihm entgegen. Das lag daran, dass die Bäuerin den Ofen in der Stube bis zum Glühen befeuert hatte. Und sie wurde nicht müde, dem Prasseln neue Nahrung zu geben, indem sie ohne Unterlass und mit eifrig glänzendem Gesicht trockene Holzscheite nachlegte. »Damit du es schön gemütlich hast«, hatte die Huber-Bäuerin schon das letzte Mal gehaucht, mit heiserem Lachen. Aber ihre Gutherzigkeit kam nicht von ungefähr, wie Jakob bald danach hatte feststellen müssen.
    Um es hinter sich zu bringen, machte er sich sofort an die Arbeit. An und für sich war das Krauthobeln keine schlimme Tätigkeit: Er nahm einen Krauthappel nach dem anderen und hobelte ihn ins Fass. Die Bäuerin streute nach jeder Lage Salz und Kümmel dazu. Der Bauer saß indes im Herrgottswinkel auf der Holzbank, gönnte sich einen Selbstgebrannten nach dem anderen, und es dauerte nicht lange, da musste er sein rundes Gesicht in die stützenden Hände betten. Zudem schien der Anblick seines Knechts, der mit kräftigen, rhythmischen Bewegungen das Kraut über die Hobelschneide zog, hypnotisierende Wirkung auf ihn zu haben. Seine Augenlider wurden immer schmäler, und bald übermannte ihn in der überheizten Küche der Schlaf, und sein Kopf schlug hart gegen die Tischplatte. Als sich dieses Schauspiel einige Male wiederholt hatte, sagte die Bäuerin »geh, das ist ja nicht zum Anschauen«, und schickte ihren Mann kurzerhand ins Bett. Mit Bangen hatte Jakob das vorausgesehen, denn er wusste: Die Bäuerin folgte einem ausgefuchsten Plan.
    Die anstrengende Arbeit und die Hitze in der engen Stube trieben Jakob den Schweiß aus den Poren. Kaum war aus der Kammer nebenan dröhnendes Schnarchen zu hören, bemerkte das auch die Bäuerin. Mit mütterlich fürsorglicher Stimme fragte sie, ob er nicht sein Hemd ausziehen wolle. Als Jakob dankend ablehnte, fackelte sie nicht lange herum, sagte nur »aber geh, komm, ich helf dir«, tat einige verblüffend geschickte Griffe an seinen Knöpfen, zerrte sein Hemd nach oben und schon fand sich ihr Knecht mit schwitzendem, nacktem Oberkörper wieder. »Na schau«, sagte die Bäuerin zufrieden, »ist doch viel besser so.«
    Jakob schlug das Herz bis zum Hals, drückte heiß pulsierendes Blut in seine Schläfen. Um es möglichst rasch hinter sich zu bringen, hobelte er noch schneller. Begleitet von saftigen Schnittgeräuschen säbelte er das Kraut so energisch ins Fass, dass es schneller als im Sekundentakt an dessen Innenseite klatschte. Die Bäuerin saß dicht neben ihm. »Hobel nicht gar so schnell«, hauchte sie, lockerte die Kordel an ihrer Bluse, lehnte sich zurück, um sich am

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