Milchblume
Anblick seines glänzenden, muskulösen Oberkörpers zu erfreuen, und meinte neckisch: »Du musst dir noch Kraft für später aufheben.«
Jakob hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Er wollte vermeiden, dass er sich in den Daumen hobelte wie beim letzten Mal. Aber auch diesmal fiel es ihm schwer, seinen Blick auf das am Hobel hin und her sausende Krauthappel zu heften. Immer wieder ertappte er sich dabei, zur Seite, nach seiner Herrin zu schielen. Nur noch vier Krauthappel, sagte er sich. Die Bäuerin hatte ihren Sessel noch näher geschoben, war dicht an ihn gerückt, um seinen Schweiß zu riechen, und Jakob musste aus dem Augenwinkel feststellen, dass sie begonnen hatte, ihren Rock nach oben zu ziehen. Nur noch drei Krauthappel, dachte Jakob, und weil er wieder hinsehen musste, merkte er, dass die Bäuerin bereits ihre feisten Schenkel geöffnet hatte. Jakob hobelte sich die Seele aus dem Leib. Nur noch zwei Krauthappel! Verflixt, er konnte nicht anders, riskierte schon wieder einen Blick, und so sah er die geschwollenen Füße in ihren Holzschlapfen, sah ihre dicht behaarten Beine und: ihre füllige Hand, die zärtlich an der Innenseite ihres fleischigen Schenkels nach oben strich. Gott sei Dank, das letzte Krauthappel! Jakob hobelte wie ein Besessener. Hobeln, nichts wie hobeln. Hobeln! Hobeln! Hobeln! »Fertig!«, seufzte Jakob erleichtert, da glitt der Finger der Bäuerin in ihre Lust.
»Mach weiter«, bettelte sie mit rollenden Augen.
»Ich bin fertig«, sagte Jakob entschuldigend. »Es gibt kein Kraut mehr.«
»Aber du musst das Kraut noch festtreten«, fiel ihr ein, und darüber schien sie sehr erleichtert.
Jakob seufzte.
»Du brauchst dir nicht die Füße waschen«, drängte sie, »steig gleich so hinein. Komm, mach schnell.«
Dem Burschen rann der Schweiß vom Körper. Das Kraut unter seinen nackten Sohlen war angenehm kühl, fast kalt. Vor ihm saß die Bäuerin. Sie sah zu ihm empor, bewegte ihre Hand. »Du musst es lange und fest treten«, sagte sie beschwörend. »Das weißt du doch, Jakob. Fest treten. Fertig ist es erst, wenn das Wasser kommt.«
Es war spät, und Jakob war furchtbar müde, als er in sternenklarer Nacht vom Dienst am Huber-Hof heimging, um sich in seiner Kammer schlafen zu legen. Es war nicht nur eine körperliche Müdigkeit. Jakob fühlte sich innerlich ausgelaugt.
Als er das Tor des Stadels zur Seite schob, hörte er ein leises Summen. Vorsichtig ging er näher und erkannte, dass es ein Lied war. Fabio sang es. Er war allein. Mit dem Lied war es ihm gelungen, den Zorn auf seine Frau zu verscheuchen, seine Wut über die Auseinandersetzung mit ihr. Dank der Melodie hatte er es zudem geschafft, seinen Ärger einzutauschen – gegen wohltuendes Selbstmitleid.
Jakob sah, dass er willkommen war und hockte sich nieder. Je länger das Lied anhielt, desto mehr Ruhe kehrte in Jakob ein. Und als die letzte Silbe verklungen war, fühlte er sich wiederhergestellt. Ausgesöhnt mit den Dingen, die er an diesem Tag hatte erleben müssen. Fabio saß ihm gegenüber und kostete den letzten Rest Märtyrertum aus, den letzten Rest männlicher Schwermut. Als nichts mehr zu spüren war, wandte er sich Jakob zu.
»Was ist mir dir?«, fragte Fabio mit leiser Stimme. »Hast du Kummer?«
»Nicht mehr«, antwortete Jakob. Und weil er Fabio diesmal nichts über sein Erlebnis mit der Huber-Bäuerin erzählen wollte, schilderte er ihm seine Begegnung mit dem Pfarrer. Der Fahrende hörte aufmerksam zu, ohne den Burschen zu unterbrechen, und sei es auch nur, um eine Frage zu stellen. Das lag nicht nur an seiner Aufmerksamkeit. Fabio musste sich eingestehen, kurz noch einem Gedanken nachgehangen zu sein. Als Jakob seinen Bericht beendet hatte, war Stille. Es war so leise, dass nach einer Weile das schnaufende Atmen von Fabios schlafender Mutter zu hören war.
Schließlich hatte der Fahrende die Worte gefunden, die er einem Lehrer angemessen hielt, und für Jakobs Problem.
»Du musst wissen«, begann er, »dass der Pfarrer nicht von Gott zum Pfarrer gemacht wurde.«
»Er ist«, fuhr Fabio nach einer kurzen Pause fort, »ein armer, gemeiner Mensch, maskiert mit einem Pfarrersgesicht, verkleidet in Pfarrerskleidern, die Menschen täuschend mit Pfarrersworten.«
Jakob dachte nach. Weil er verstanden hatte, nickte er.
Und Fabio sagte: »Menschen steht nicht der Respekt zu, den ihnen ihr Amt oder ihr Rang verschafft hat. Menschen steht jener Respekt zu, den ihnen ihr Reden und, noch wichtiger, ihr Handeln
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