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Milchfieber

Milchfieber

Titel: Milchfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas B. Morgenstern
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keine Zeit gefunden, ihn im Gefängnis zu besuchen. Das ist eine tolle Leistung, dachte er, sie konnte schließlich bis vor ein paar Monaten keinen Kuhschwanz von einem Spaten unterscheiden, sie hat eben keine Lehre als Landwirtin hinter sich. Aber manchmal wachsen die Menschen mit ihren Aufgaben, dachte er und hatte auch sich dabei etwas im Blick. Bei ihm war es, fand er, ähnlich. Seit Lissy auf dem Hof war, hatte er die Arbeit viel besser erledigt als früher und der Hof stand jetzt besser da als je zuvor. Er dachte darüber nach, einen neuen Kuhstall zu bauen und freute sich schon auf Lissys überraschtes Gesicht, wenn er ihr die fertigen Pläne präsentieren würde. Die dumme Sache mit Gerlach schien jetzt ausgestanden zu sein, der Anwalt hatte gemeint, er hätte nur eine kleine Strafe zu befürchten, wegen unerlaubtem Beseitigen einer Leiche, oder so ähnlich, genau konnte er sich schon nicht mehr an den Tatbestand erinnern. Vielleicht eine kleine Geldstrafe, dazu müsse er allerdings den Schaden der Werft bezahlen.
    Winkler umrundete das Haus und als er durch die große Dielentür sah, erschrak er. Die Kühe waren nicht im Stall. Er sah auf die Uhr: es war nach 18 Uhr, eigentlich war es die Melkzeit. Es war nicht ausgemistet, kein Futter vorgelegt und das Melkzeug war nicht vorbereitet.
    Vielleicht war es doch ein wenig zu viel für sie, dachte er und machte sich an die Arbeit.
    Gleich wird sie mit den Kühen nach Hause kommen, war er sich sicher, dann wird sie sich freuen, dass alle Arbeit schon gemacht ist.
    Lissy kam nicht. Horst Winkler wurde nervös, trat aus dem Stall, wunderte sich, dass der Lärm der Schweine noch größer war als sonst und sah erstaunt auf die Weiden hinter dem Haus.
    Sie waren leer. Weder auf der Kuhweide noch auf der Jungviehweide stand ein Tier.
    Ausgebrochen, schoss es ihm durch den Kopf, die sind alle ausgebrochen. Und Lissy rennt jetzt hilflos hinter ihnen her.
    Vor zwei Jahren war ihm Ähnliches passiert. Klausi und er hatten die Zäune nicht richtig in Ordnung gehalten, sie bestanden aus morschen Pfählen mit rostigen Drähten und nach dem die erste Kuh mehr beiläufig den Zaun zerstört hatte, war in kurzer Zeit die ganze Herde brüllend und mit hoch erhobenen Schwänzen auf der Landstraße entlang gerannt. Es hatte Stunden gedauert, bis alle Tiere wieder im Stall gewesen waren. Fast alle Bauern aus der Nachbarschaft hatten sich an der Jagd auf die wild gewordenen Kühe beteiligt.
    Er nestelte sein Handy aus seiner Tasche und wählte Lissys Nummer. Niemand nahm ab. Er sprach eine Nachricht auf ihre mailbox, bat sie, ihn schnell anzurufen.
    Aufgeregt ging Horst in das Haus zurück und versuchte in die Wohnung zu kommen. Die Tür, die vom Stall in die Küche führte, war abgeschlossen. Der Lärm der Schweine steigerte sich, als sie Winkler durch den Stall rennen sahen, er kam mit einem Stemmeisen aus der Werkstatt wieder und hebelte die Tür auf.
    Entsetzt sah er, dass die Küche fast leer war. Es gab keinen Herd mehr, keinen Kühlschrank, die Geschirrspülmaschine war ebenso verschwunden wie die Waschmaschine aus dem Badezimmer. Selbst die elektrische Zahnbürste war weg. Winkler rannte panisch durch die Wohnung, vermisste den neuen Flachbildschirm, fand den kleinen CD-Spieler nicht mehr und stellte schließlich fest, dass das ganze Haus praktisch ausgeräumt war. Selbst sein Schlagzeug war weg.
    Lissy ist überfallen worden, dachte er und begann zu weinen. Sie war so lange alleine im Haus, das hat sich ganz schnell herumgesprochen! Hoffentlich ist ihr nichts passiert!
    „Lissy!“, rief er laut in das Haus, „Lissy!“ Er begann das Haus systematisch abzusuchen und mit jedem Zimmer, das er erfolglos durchsuchte, wurde ihm klarer, dass Furchtbares geschehen sein musste. Zum Schluss nahm er allen Mut zusammen und öffnete vorsichtig die Tür zu seinem Kühlhaus. Er hätte sich nun nicht mehr gewundert, wenn er Lissy dort gefesselt und geknebelt gefunden hätte.
    Aber das Kühlhaus war genauso leer wie das gesamte Haus.
    Sie ist entführt worden, dachte er. Vielleicht von den Freunden von Alex. Vielleicht wollten die sich rächen.
    Sein Herz klopfte vor Angst und er wusste nicht mehr weiter.
    Ich muss sie suchen, dachte er plötzlich, sie braucht meine Hilfe. Die Kühe laufen, wenn es dumm kommt, bis ins Dorf.
    Winkler rannte in die Schmutzschleuse, in der die Arbeitskleider hingen, zog sich den alten, schmutzigen Overall über und ging zum Schuppen. Noch während des

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